Glutenfreie Ernährung bei Zöliakie – Worauf ist zu achten?

Glutenfreies Gebäck
©
GettyImages

Ist Ihr Kind schon seit längerer Zeit weinerlich und leidet oft an Bauchschmerzen? Dann haben Sie sich vielleicht schon überlegt, ob eine glutenfreie Ernährung helfen würde. Doch ist es überhaupt ratsam, einfach mal zum Testen die Ernährung umzustellen? Wie wird eine Zöliakie diagnostiziert? Und für wen sind glutenfreie Produkte wirklich sinnvoll?

Für wen ist eine glutenfreie Ernährung empfehlenswert?


Eine glutenfreie Ernährung ist bei einer diagnostizierten Zöliakie oder bei einer nicht-Zöliakie-Glutensensitivität zu empfehlen. „Glutenfrei“ liegt aber auch im Trend, obwohl eine glutenfreie Ernährung Nichtbetroffenen keinen Nutzen bringt. Im Gegenteil; oft sind glutenfreie Produkte teurer und energiereicher als normale Produkte und geschmacklich gewöhnungsbedürftig. Nur ca. 1% der Bevölkerung würde eine glutenfreie Ernährung benötigen. Trotzdem ist die Anfrage nach glutenfreien Produkten in jüngster Zeit enorm gestiegen. Dies hat den Vorteil, dass es für Betroffene inzwischen eine breite Palette an glutenfreien Produkten auf dem Markt gibt. Dass Zöliakie-Betroffene aber oft nicht ernst genommen werden, ist eine der Kehrseiten dieser Entwicklung.

Zöliakie, Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität oder Weizenallergie


Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, bei welcher es durch Gluten und dessen Bestandteil Gliadin zu einer Schädigung des Dünndarms kommt. Gluten (Klebereiweisse) sind in diversen Getreidesorten enthalten. Bei Menschen, die an Zöliakie leiden, löst der Verzehr von Gluten eine Entzündung der Dünndarmschleimhaut aus. Dadurch bilden sich mit der Zeit die Zotten des Dünndarms zurück und es kommt zu einer Unterversorgung des Körpers mit lebenswichtigen Vitaminen. Nährstoffe können nicht mehr richtig aufgenommen werden, was zu verschiedenen Symptomen führt. Eine Zöliakie ist mittels Bluttests oder Dünndarmbiopsie (Darmspiegelung mit Gewebsentnahme) diagnostizierbar. Zöliakie ist keine Allergie.

Die Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität ist eine Ausschlussdiagnose. Sie wird dann gestellt, wenn eine Zöliakie oder eine Weizenallergie zwar ausgeschlossen werden können, mit einer glutenfreien Ernährung aber trotzdem eine Besserung der Symptome eintritt. Die Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität und die Weizensensitivität sind Unverträglichkeiten, die nicht mittels Bluttests oder Biopsie nachweisbar sind. Bei einer Weizensensitivität können alle Weizenbestandteile (Gluten, Fruktane usw.) Beschwerden verursachen. Eine Weizensensitivität kann auch im Rahmen eines Reizdarms vorliegen.

Die Weizenallergie ist eine Allergie, die vor allem im Kindesalter auftritt.

Was tun bei Verdacht auf Zöliakie?


Beobachten Sie die möglichen Symptome gut und lassen Sie den Verdacht ärztlich abklären. Zur Selbstabklärung gibt es auch Zöliakie-Selbsttests. Diese können zur Vorabklärung hilfreich sein, ersetzen aber keine ärztliche Zöliakieabklärung. Wichtig: Verzichten Sie nicht ohne ärztliche Diagnose auf Gluten, da die Diagnosestellung unter glutenfreier Ernährung verfälscht wird. Damit eine Diagnose gestellt werden kann, muss in diesem Fall erneut während einiger Wochen glutenhaltig gegessen werden.

Welches sind die häufigsten Symptome einer Zöliakie?


Beim Kind:

  • Durchfall oder massiger, stark riechender Stuhlgang

  • Blähbauch

  • Bauchschmerzen

  • Gewichtsverlust

  • Wachstumsstillstand oder -rückstand

  • verzögerte Pubertät

  • Blässe

  • Übelkeit

Beim Erwachsenen:

  • Müdigkeit

  • Erschöpfung

  • Blutarmut

  • Eisenmangel und andere Vitaminmangel (z.B. Vitamin B12, Vitamin D)

  • Gewichtsverlust

  • Durchfall oder Verstopfung

  • Blähungen

  • Appetitlosigkeit

  • Erbrechen

  • Bauch- oder Knochenschmerzen

Diagnose Zöliakie: Wie geht es weiter?


Wenn sich der Verdacht einer Zöliakie bestätigt oder durch Ausschlussverfahren eine Nicht-Zöliakie -Glutensensitivität diagnostiziert wird, erfolgt in der Regel eine Überweisung zu einer individuellen Ernährungsberatung. Grundsätzlich gilt bei einer Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität eine lockerere Diät als bei der Zöliakie. Zöliakie bedingt eine lebenslange strikte glutenfreie Ernährung. Zöliakie ist nicht heilbar, aber durch glutenfreie Ernährung ist ein beschwerdefreies Leben möglich. Alle glutenhaltigen Produkte sind strikt zu meiden!

Glutenfreie Produkte einkaufen


Überprüfen Sie jedes gekaufte Produkt auf Gluten. Einfach zu bewerten sind Hinweise wie «enthält Gluten», der Vermerk «glutenfrei» oder die durchgestrichene Ähre, das gutenfrei-Symbol. Kontrollieren Sie regelmässig die Zutatenliste! Auch bei häufig gekauften Produkten sind Rezepturänderungen jederzeit möglich. In Online- oder Supermärkten sind viele glutenfreie Spezialprodukte erhältlich, zum Beispiel «freefrom» von Coop, «AHA»-Produkte von der Migros, Schär-Produkte bei Coop/Volg, etc.  Weitere Bezugsquellen und Lebensmittellisten finden Sie auf der Seite der IG Zöliakie: www.zoeliakie.ch

Symbol Glutenfrei
Dieses Symbol mit der durchgestrichenen Ähre kennzeichnet glutenfreie Produkte.

Schwanger mit Zöliakie


Wenn Sie Gluten nicht vertragen und eine Schwangerschaft planen, ist es wichtig, konsequent auf eine glutenfreie Schwangerschaftsernährung zu achten. Diätfehler können dazu beitragen, dass Mutter und Kind zu wenig Nährstoffe bekommen und es zu Komplikationen kommt. Unter einer strikten ausgewogenen glutenfreien Ernährung ist eine problemlose Schwangerschaft möglich.

Kinder von Eltern mit Zöliakie haben ein höheres Risiko, auch an Zöliakie zu erkranken. Meist treten erste Symptome nach der Einführung der Beikost auf. Untersuchungen haben gezeigt, dass es keinen Zusammenhang gibt mit dem Zeitpunkt der glutenhaltigen Beikost und der Entwicklung von Zöliakie. Empfehlenswert ist, ab dem 5. Monat langsam Gluten einzubauen und das Kind gut zu beobachten. Doch nicht alle Kinder entwickeln sofort Symptome. Bei Familien mit Zöliakie ist es sinnvoll, die Kinder ab dem 2. Lebensjahr auf Antikörper testen zu lassen, um so eine Zöliakie frühzeitig zu erkennen.

Ist „glutenfrei“ für die ganze Familie geeignet?


Für das Familienmitglied mit Zöliakie ist es ganz wichtig, nichts Glutenhaltiges zu essen, denn die Gluten greifen den Darm an. Nach einem Fehlverhalten bemerkt die betroffene Person vielleicht noch nichts, mit der Zeit können aber wieder Symptome auftreten. Wenn ein Mitglied Ihrer Familie an Zöliakie leidet, müssen Sie mögliche Verunreinigungen bei der Essenzubereitung vermeiden. Glutenfreie Speisen können von der ganzen Familie konsumiert werden. Wenn die Ernährung ausgewogen und abwechslungsreich nach den Empfehlungen der Lebensmittelpyramide gestaltet wird sowie Diätfehler beim Betroffenen vermieden werden, sind keine Mangelzustände zu befürchten. 

Tipps und Tricks in der Küche


  • Bevorzugen Sie von Natur aus glutenfreie Produkte und bereiten Sie diese selber zu.

  • Achten Sie darauf, dass Verunreinigungen vermieden werden: separater Aufbewahrungsort für glutenfreie Produkte, separate Küchenutensilien wie Brotmesser, Brotbrett, Backformen usw. oder alternativ die Küchenutensilien vor Gebrauch gut reinigen.

  • Dem glutenfreien Mehl fehlt das Klebereiweiss, weshalb der Teig flüssig ist. Er bleibt auch häufig an den Backutensillien kleben. Verwenden Sie deshalb eine Klarsichtfolie und ein Backpapier zum Ausrollen von glutenfreiem Teig.  Backen Sie glutenfreie Produkte immer in der gleichen Form.

  • Wenn Sie selber Ihr glutenfreies Brot backen, eignet sich ein Brotbackautomat, der ausschliesslich für das glutenfreie Brot verwendet wird. Somit können Sie auch mögliche Verunreinigungen im Backofen verhindern.

  • Wenn Sie glutenfreies Brot backen, können Sie diesem nach Belieben glutenfreie Zutaten wie Nüsse und Samen beifügen. Damit verbessert sich die Teigeigenschaft und der Teig lässt sich einfacher verarbeiten.

  • Beachten Sie, ob alle Zutaten wirklich glutenfrei sind: Zuckerstreusel, Schoggiwürfel oder Backpulver können glutenhaltig sein.

  • Wenn Ihr Kind, das an Zöliakie leidet, bei Freunden eingeladen ist, besprechen Sie, ob diese etwas Glutenfreies für Ihr Kind kaufen können oder geben Sie ihm etwas mit. Auch wenn angeboten wird, extra einen glutenfreien Kuchen zu backen, sind Verunreinigungen wie Mehlstaub nicht ausgeschlossen.

  • Wenn Sie ein glutenhaltiges Rezept haben, können Sie glutenhaltiges Mehl einfach durch glutenfreies Mehl ersetzen. Geschmackliche Veränderungen sind aber möglich.

Welche Nahrunsmittel sind glutenhaltig?


Glutenhaltige Getreide:

  • Weizen (inkl. Einkorn, Emmer und Khorasan Weizen - oft erhältlich unter dem Namen Kamut)

  • Dinkel und Ur-Dinkel

  • Grünkern

  • Gerste

  • Roggen

  • Triticale (Kreuzung zwischen Weizen und Roggen)

  • Hafer (Ausnahme: Glutenfreier Hafer)

  • Bulgur

  • Couscous

  • Hartweizen

Weitere glutenhaltige Lebensmittel:

  • Bier

  • Bierhefe

  • Hostien

  • Oblaten

  • Seitan (asiatisches Weizenprotein)

Folglich sind auch alle Nahrungsmittel und Speisen glutenhaltig, welche aus oder mit Anteilen dieser Lebensmittel zubereitet werden. Beispielsweise Brot, Backwaren, Teigwaren, Pizza, Gewürzmischungen, Müesli, Bier, Spätzli usw.

Diese Produktezutaten sind glutenhaltig: Aleuronat (Handelsname für Weizengluten), Bierhefeextrakt, Malz, Malzextrakt, Viogerm (Handelsname für Folsäure aus Weizenkeimen), Weizenprotein, Weizenstärke, modifizierte Weizenstärke

Welche Nahrungsmittel sind von Natur aus glutenfrei?


Glutenfreie Grundnahrungsmittel:

  • Gemüse, Früchte, Salat

  • Nüsse

  • Hülsenfrüchte, Kichererbsen, Linsen

  • Mais

  • Reis (weisser, roter, schwarzer, Langkorn, Rundkorn, asiatischer Klebereis)

  • Hirse

  • Quinoa

  • Buchweizen

  • Leinsamen

  • Amaranth

  • Maniok, Kassava

  • Kartoffeln

  • Milch

  • Joghurt ohne Flocken

  • Käse

  • Fleisch, unpaniert oder nature

  • Fisch, unpaniert oder nature

  • Eier

  • Tofu

Weitere glutenfreie Lebensmittel:

  • Erdmandel, Chufa, Chufanuss

  • Fonio (Hirseart)

  • Hanfkörner

  • Hefe (Würfelhefe, Trockenhefe)

  • Maniokmehl, Kassavamehl

  • Kastanien (Maroni), Kastanienmehl

  • Kichererbsenmehl

  • Linsenmehl

  • Lupine, Lupinenmehl

  • Maismehl, Ribel resp. Ribelmais

  • Marantemehl (tropische Stärkepflanze)

  • Pfeilwurzmehl (tropische Stärkepflanze)

  • Quinoa

  • Quorn (Pilzeiweiss)

  • Reismehl

  • Soja

  • Sojabohnenmehl

  • Sojamilch

  • Sorghum (Hirseart)

  • Tapioka

  • Teff (äthiopische Graspflanze)

  • Tofu

  • Whiskey

  • Wodka

  • Wildreis (zizania acuatica)

  • Yams

  • Zichorien

Diese Produktezutaten sind glutenfrei: Agar-Agar (Bindemittel aus Algen), Carrageen (Bindemittel aus Rotalgen), Dextrose E-Nummern, Fructo-Oligosaccharide, Glutamate (Geschmacksverstärker E-Nrn. 620 bis 625), Glukosesirup, Guarkernmehl (Bindemittel), Inulin, Johannisbrotkernmehl (Bindemittel), Kuzu (jap. Hülsenfrucht, Bindemittel), Lezithin, Maltit, Maltodextrin, Maltose, Oligofructose, Sago, Sojalezithin, Stärke, modifizierte Stärke, Tarakernmehl (Bindemittel), Xanthan (Bindemittel)

Hinweis «Kann Spuren von Gluten enthalten»
Oft ist auch der Hinweis «kann Spuren von Gluten enthalten» auf den Verpackungen zu lesen. Diese Produkte sollten kein Gluten enthalten, könnten aber kontaminiert sein. Kontaminiert bedeutet "verunreinigt", z.B weil glutenfreie Guetzli im gleichen Raum gebacken werden wie glutenhaltige. Es handelt sich also um einen Sicherheitshinweis des Produzenten.

Newsticker zum Thema

kurz&bündig
9/11/2024
Lebenmittelpyramide 2024

Neue Ernährungsempfehlungen: mehr Vollkorn und Hülsenfrüchte

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat die Ernährungsempfehlungen aktualisiert. Die …
kurz&bündig
5/16/2023
Glutenfreies Mehl und Brot

Glutenfrei? Erst testen, dann verzichten

Bis zu 2,5 % aller Menschen sind von einer überschiessenden Immunreaktion auf das Weizeneiweiss Gluten betroffen. …
Letzte Aktualisierung: 25.03.2020, JK, JL