Schilddrüsenerkrankungen und Schwangerschaft
Eine gestörte Schilddrüsenfunktion beeinträchtigt das Schwangerwerden, die Schwangerschaft und sogar das neugeborene Baby
Die dem Hals schmetterlingsförmig anliegende Schilddrüse steuert alle hormonellen Abläufe im menschlichen Körper. Kein Wunder, dass sie auch am Schwangerwerden und Kinderkriegen beteiligt ist! Eine gestörte mütterliche Schilddrüsenfunktion während der ersten Schwangerschaftswochen kann jedenfalls beim Kind zu Problemen während der ersten Lebensjahre und manchmal sogar während des ganzen Lebens führen.
Die Rolle der Schilddrüse beim Kinderwunsch
Die Ursache für eine Unfruchtbarkeit muss nicht nur im Unterleib liegen. Andere Organe wirken sich ebenfalls aus, v.a. die Schilddrüse. Mit ihren Hormonen steuert die Schilddrüse lebenswichtige Vorgänge im ganzen Körper, darunter auch die Fruchtbarkeit und Fortpflanzung. Eine unbehandelte Überfunktion, aber v.a. eine Unterfunktion der Schilddrüse kann die Empfängnisfähigkeit nachhaltig stören.
Die Vergrösserung der Schilddrüse durch Jodmangel
In der Schwangerschaft nimmt die Schilddrüse normalerweise an Volumen zu, denn der Mutterkuchen produziert Choriongonadotropin (hCG), das die Produktion der Schilddrüsenhormone um bis zu 50 % erhöht. Die Schilddrüsenhormone sind auf eine ausreichende Zufuhr von Jod angewiesen, und das gilt besonders während der Schwangerschaft. Wir nehmen fast alle weniger als die empfohlene Mindestmenge von 200 Mikrogramm Jod pro Tag auf.
Das auffälligste äussere Anzeichen für Jodmangel ist ein Kropf (Struma), eine Verdickung der Schilddrüse, die sich vergrössert, um so den Jodmangel durch gesteigerte Aktivität auszugleichen. Durch Einnahme von Jodid-Tabletten, evtl. in Kombination mit Schilddrüsenhormon, kann dieses bis dahin nur kosmetische Problem behandelt werden. Beide Präparate sind für das Kind völlig unschädlich. Lediglich bei einer Schilddrüsenüberfunktion darf die werdende Mutter weder Jod noch Schilddrüsenhormon einnehmen.
Zu viel oder zu wenig Schilddrüsenhormon?
In der Schwangerschaft sind sowohl die Unterfunktion (Hypothyreose) als auch die Überfunktion (Hyperthyreose) der Schilddrüse gefährlich. Der Hormonspiegel wird durch Zufuhr von Schilddrüsenhormon oder durch die Hemmung der Produktion bzw. des Einbaus in der Schilddrüse ausgeglichen.
Knoten in der Schilddrüse
Wird ein Knoten in der Schilddrüse entdeckt, muss dieser mittels Ultraschall und meistens auch durch eine Gewebe-Entnahme (Schilddrüsenpunktion) genau abgeklärt werden. Diese Untersuchung ist absolut harmlos und kaum schmerzhaft.
Eine Szintigraphie, normalerweise üblich bei der Untersuchung von Schilddrüsenknoten, kann aufgrund der Strahlenbelastung während der Schwangerschaft und der Stillperiode nicht durchgeführt werden. Sie ist eine nuklearmedizinisch Untersuchung, bei der Radionuklide (unstabile Atomkernarten, die radioaktive Strahlung aussenden) in den Körper eingebracht werden.
Die meisten Knoten sind gutartig. Selten jedoch besteht der Verdacht auf eine bösartige Erkrankung der Schilddrüse. Falls unbedingt erforderlich, kann eine Schilddrüsenoperation am ehesten im mittleren Schwangerschaftsdrittel erfolgen. Meist wird erst nach der Entbindung operiert.
Schilddrüsenentzündung nach der Geburt
Etwa jede zwanzigste Frau bekommt innerhalb von vier bis 24 Wochen nach der Entbindung eine Schilddrüsenentzündung, eine sogenannte postpartale Thyreoiditis. Da die Erkrankung meist keine Schmerzen verursacht, wird sie auch als "stille Schilddrüsenentzündung" bezeichnet. Grund für die Postpartum-Thyreoiditis ist die hormonelle Stresssituation, der die mütterliche Schilddrüse während der Schwangerschaft ausgesetzt ist.
Gewöhnlich sind die Schilddrüsenantikörper – sogenannte TPO-Antikörper – erhöht. Betroffen sind vor allem Frauen, bei denen während der Schwangerschaft bereits erhöhte Schilddrüsenantikörper festgestellt wurden oder die bereits bei einer vorangegangenen Schwangerschaft erkrankt sind, Frauen mit einer Neigung zu Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Basedow und Diabetespatientinnen.
Typischerweise besteht zu Krankheitsbeginn eine Überfunktion, die einige Wochen dauert, mit den Symptomen Zittern, Nervosität, beschleunigter Herzschlag und verstärktes Schwitzen. Sie geht in eine drei bis neun Monate dauernde Phase der Unterfunktion mit Müdigkeit und Antriebsarmut über. Bei der Hälfte der Frauen normalisiert sich die Erkrankung nach einem Jahr von ganz allein. Manchmal kann diese Unterfunktion auch länger bestehen bleiben.
Charakteristische Symptome sind Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Gereiztheit, Nervosität, Depression. Es können auch andere Erkrankungen die gleichen oder ähnliche Symptome hervorrufen, vor allem die Wochenbettdepression. Bei den entsprechenden Beschwerden muss auf jeden Fall eine genaue Schilddrüsenabklärung durchgeführt werden um - falls erforderlich - eine Behandlung einleiten zu können. Damit kann der Mutter meist sehr rasch geholfen werden.
Das Neugeborene und seine Schilddrüse
Normalerweise funktioniert die Schilddrüse des neugeborenen Babys ganz normal, allerdings kann es auch hier zu einer Überfunktion kommen, wenn die Antikörper, welche die Störung bei der Mutter verursacht haben, durch die Plazenta auf das Kind übergehen. In seltenen Fällen kommt es beim Baby auch zu einer Schilddrüsenunterfunktion, wenn die zur Drosselung der mütterlichen Schilddrüsenfunktion eingenommenen Medikamente über die Plazenta in den Kreislauf des Kindes gelangen.