Infektscreening in der Schwangerschaft

Interview mit Prof. Dr. med. Daniel Surbek

Blutabnahme bei einer Schwangeren,Blutentnahme
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swissmom: Weshalb ist es wichtig, dass Schwangere in einem sogenannten Infektscreening auf Infektionskrankheiten getestet werden?

Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Infektionen können das ungeborene Kind schädigen. Da sie oft unbemerkt verlaufen können, ist es wichtig, auch schwangere Frauen zu untersuchen, die keine Beschwerden haben. Mittels rechtzeitiger Behandlung kann in vielen Fällen die Kindesschädigung vermieden werden. Zudem können Frühgeburten verhindert werden. 

swissmom: Können Sie an einem oder zwei Beispielen erklären, welche Folgen eine Infektion in der Schwangerschaft auf das Ungeborene haben kann? 

Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Ein Beispiel ist Lues (Syphilis), eine Infektion, die zu Schädigungen des Fetus sowie zu Frühgeburten führen kann. Dasselbe gilt für die Cytomegalievirusinfektion. Ein weiteres Beispiel sind vaginale Infektionen, die zwar keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Kind haben, die aber zu einer Frühgeburt führen können. 

Zur Person

Surbek Danial Pra nataldiagnostik

Prof. Dr. med. Daniel Surbek ist Chefarzt der Frauenklinik des Inselspitals in Bern sowie Präsident der Kommission Qualitätssicherung der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (gynécologie suisse / SGGG). 

swissmom: Wie und wann wird das Infektscreening durchgeführt?  

Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Es gibt drei Zeitpunkte in der Schwangerschaft, zu denen Untersuchungen durchgeführt werden. Im ersten Trimenon wird das Blut auf HIVLues (Syphilis) und weitere Infektionen untersucht sowie ein Vaginalabstrich durchgeführt. Zu Beginn des dritten Trimenons, etwa in der 28. Woche, wird das Hepatitis-B-Screening mittels Bluttest durchgeführt. Die Untersuchung auf Gruppe-B-Streptokokken mittels Abstrich von Vagina und Darmausgang findet rund vier Wochen vor dem errechneten Geburtstermin statt. 

swissmom: Eine Studie der Universitätskliniken für Frauenheilkunde und Infektiologie des Inselspitals Bern hat gezeigt, dass in der Schweiz grosse regionale Unterschiede bestehen, auf welche Infektionen die schwangeren Frauen getestet werden. So wird zum Beispiel in Genf und in der Zentralschweiz viel häufiger auf Hepatitis C getestet als in der Ostschweiz. Wie kommt es zu diesen Unterschieden?  

Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Aktuell existieren nur für vereinzelte Infektionen, nämlich für HIV, Toxoplasmose und Gruppe B-Streptokokken, einheitliche Richtlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG). Bisher liegt es im eigenen Ermessen der Gynäkologen, auf welche Infektionen sie die Schwangeren testen. 

swissmom: Führen diese Unterschiede nicht zu Verunsicherung? Wären einheitliche Screening-Empfehlungen nicht sinnvoll?  

Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Dies führt tatsächlich zu Verunsicherungen, sowohl bei schwangeren Frauen wie auch bei Fachpersonen. Die Kommission Qualitätssicherung der SGGG hat infolge unserer Studie ein Projekt aufgegleist, um in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) gesamtschweizerische Richtlinien für ein einheitliches Infektscreening in der Schwangerschaft zu erarbeiten. 

swissmom: Auf welche Infektionskrankheiten wird fast jede schwangere Frau in der Schweiz getestet? 

Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Auf HIVRötelnGruppe-B-Streptokokken und Hepatitis B wird fast durchgängig getestet. Dies funktioniert landesweit sehr gut. Bei anderen Infektionen hingegen gibt es Regionen, wo fast nicht getestet wird. Andereseits gibt es aber auch Infektionen, bei denen das Bundesamt für Gesundheit und die SGGG schon seit längerer Zeit empfehlen, auf ein Screening zu verzichten. Dies ist zum Beispiel bei der Toxoplasmose der Fall, da hier ein generelles Screening in der Schweiz nichts bringt. 

swissmom: Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es, wenn die Untersuchung zeigt, dass eine Infektion vorliegt?  

Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Ich gebe gerne einige Beispiele: Wird eine Vaginalinfektion erkannt und richtig therapiert, kann das Risiko für eine Frühgeburt gesenkt werden. Liegt eine HIV-Infektion vor, verhindert eine Behandlung mit antiviralen Medikamenten die Virusübertragung auf das Kind. Im Falle von Lues (Syphilis) wird die werdende Mutter mit Penicillin behandelt, wodurch eine Schädigung des Kindes vermieden werden kann. Wenn die schwangere Frau Gruppe-B-Streptokokken im Abstrich aufweist, kann mittels Antibiotikatherapie während der Geburt eine Ansteckung des Neugeborenen mit möglichen schweren Folgen (Blutvergiftung) vermieden werden.

swissmom: Was muss gegeben sein, damit eine Untersuchung auf eine bestimmte Krankheit als sinnvoll erachtet wird?  

Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Ein Screening ist dann sinnvoll, wenn eine Infektion mit einer gewissen Häufigkeit auftritt, wenn sie schwere Folgen für das ungeborene Kind haben kann und wenn eine wirksame Behandlung z.B. mit Medikamenten existiert.  

swissmom: Bei welchen Infektionskrankheiten wäre ein flächendeckendes Screening besonders wichtig? 

Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Ein flächendeckendes Screening in der Schweiz wäre nebst dem gut funktionierenden Screening auf HIV, Hepatitis B und Gruppe-B-Streptokokken vor allem bei Lues (Syphilis) und bei vaginalen Infektionen wichtig. Diese Untersuchungen werden in gewissen Regionen leider noch zu selten durchgeführt. 

swissmom: Gibt es auch Krankheiten, bei denen ein Screening trotz möglicher Folgen für das Kind nicht ratsam ist? Wenn ja, was sind die Gründe dafür?  

Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Ein Beispiel ist die Cytomegalievirusinfektion. Hier wird ein Screening nicht empfohlen, weil es trotz vorhandener Immunität der Frau (d.h. es sind wegen einer früheren Infektion bereits Antikörper vorhanden) zu einer erneuten Infektion in der Schwangerschaft kommen kann, die das Kind schädigen könnte. Ausserdem besteht noch keine wirksame Behandlung. Es gibt zwar Therapieansätze, um mit antiviralen Medikamenten oder mit einer passiven Immunisierung durch Immunglobuline eine Übertragung und eine Schädigung des ungeborenen Kindes zu vermeiden, aber die Wirksamkeit dieser Behandlungsmethoden ist noch nicht erwiesen. 

swissmom: Manche Infektionskrankheiten verlaufen symptomlos und dadurch unbemerkt. Dies macht es nicht gerade einfach, den Kontakt zu kranken Personen zu meiden. Was kann eine schwangere Frau tun, um sich möglichst wirksam vor einer Ansteckung zu schützen? 

Prof. Dr. med. Daniel Surbek: Das Risiko, sich mit dem Cytomegalievirus anzustecken kann durch eine gute Händehygiene beim Umgang mit Kleinkindern verringert werden. Vor allem für schwangere Kita-Mitarbeiterinnen und werdende Mütter mit kleinen Kindern ist es sehr wichtig, die Hände stets gut zu waschen und z. B. nach dem Wickeln zu desinfizieren. Zum Schutz vor Toxoplasmose sollten Schwangere den Kontakt zu Katzen meiden und auf den Verzehr von rohem Fleisch und rohem Gemüse verzichten. Ausserdem sind Schutzimpfungen gegen Grippe und Keuchhusten (Pertussis) während der Schwangerschaft zu empfehlen. Die Pertussis-Impfung nicht deshalb, weil eine Infektion negative Folgen für das ungeborene Kind haben könnte, sondern weil Säuglinge dank der Impfung in den ersten Monaten vor einer Ansteckung geschützt sind. 

Letzte Aktualisierung: 17.08.2022, TV