Wehenhemmung
Interview mit PD Dr. med. Irene Hösli
swissmom: Was kann man tun gegen Wehen, die zu früh kommen und eine Frühgeburt auslösen können?
PD Dr. Hösli: Bei vorzeitigen Wehen sollte der Gebärmutterhals (Zervix) sonographisch gemessen werden. Vorzeitige Wehen, die die Zervix nicht verkürzen, sollte die Schwangere als ein Warnsignal ansehen und zunächst versuchen, stressauslösende Faktoren zu reduzieren. Bei zervixwirksamen Kontraktionen, welche eine Zervixverkürzung bewirken, werden zwischen der 24+0 SSW und 34+0 SSW Medikamente gegeben, welche die Reifung der fetalen Lunge fördern. Ausserdem ist eine Hemmung der Wehen mit einer Tokolyse notwendig, um eine Frühgeburt zu verhindern oder sie zumindest zu verzögern.
Frau Privatdozentin Dr. med. Irene Hösli ist Abteilungsleiterin für Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin am Universitäts-Frauenspital Basel.
swissmom: Wie funktionieren die sogenannten Wehenhemmer? Gibt es Vor- und Nachteile?
PD Dr. Hösli: Zur Wehenhemmung (Tokolyse) werden seit über 30 Jahren Betamimetika eingesetzt. Als weitere Substanzen mit wehenhemmendem Effekt wurden im Laufe der Jahre Kalziumantagonisten, Prostaglandinsynthesehemmer und seit neuestem der Oxytocinrezeptorantagonist Atosiban im klinischen Alltag eingesetzt. Bis auf das zuletzt genannte Atosiban weisen die oben genannten Medikamente z.T. erhebliche Nebenwirkungsprofile auf. Patientinnen, die z.B. mit Betamimetika behandelt werden, klagen über subjektiv erheblich störende Tachykardien (schneller Puls) und Tremor (Zittern). Der Einsatz dieser Medikamente wird zusätzlich eingeschränkt durch die Auswirkungen auf den Kohlenhydratstoffwechsel, was zu einer Unterzuckerung beim Neugeborenen führen kann. Kalziumantagonisten verursachen anfangs häufig Kopfschmerzen oder führen zu einer Senkung des Blutdrucks, während Atosiban lediglich selten eine leichte Übelkeit hervorruft. Vergleicht man die direkten Arzneimittelkosten miteinander, ist Atosiban noch recht teuer; es wurde jedoch gezielt zur Therapie der frühzeitigen Wehentätigkeit entwickelt.
swissmom: Wie lange dauert die Tokolyse und muss ich dafür im Spital bleiben?
PD Dr. Hösli: Klinische Studien und Metaanalysen zeigen eine gesicherte Wirkung einer Tokolyse von 48 Stunden. Dieser Zeitrahmen kann jedoch im Einzelfall erheblich verlängert werden, wenn die Ursache von vorzeitigen Kontraktionen (z.B. Scheideninfektion) gleichzeitig therapiert wird. Bei drohender Frühgeburt sollte die Behandlung in Kombination mit der Diagnostik stationär in einem Spital mit eingegliederter Neonatologie erfolgen.
swissmom: Mit welchen Nebenwirkungen muss ich rechnen und schadet das dem Baby?
PD Dr. Hösli: Die Nebenwirkungen, die vorgängig beschrieben wurden, sind in der Regel nur temporär und vor allem zu Beginn einer Tokolyse bemerkbar. Sind die Nebenwirkungen ausgeprägt, sollte man auf eine andere Substanzgruppe wechseln. Beim Einsatz eines Kalziumantagonisten ist die Patientin darauf hinzuweisen, dass der Einsatz dieses Medikamentes mit einem sogenannten Off-Label-Use als Tokolyse erfolgt (Off-Label-Use: Einsatz des Medikamentes für eine andere Indikation als diejenige, für die es zugelassen wurde). Die Tokolyse nach einer therapeutischen Dosierung schadet dem Kind im Mutterleib nicht.
swissmom: Gibt es auch Alternativen zur Wehenhemmung mit Medikamenten? Was kann man selbst gegen vorzeitige Wehen tun?
PD Dr. Hösli: Neben der medikamentösen Wehenhemmung kann das Phytotherapeutikum Bryophyllum, welches aus Blättern der Pflanzenart Bryophyllum calycinum hergestellt wird, ambulant eingesetzt werden. Bryophyllum zeigt einen in Studien gesicherten wehenhemmenden Effekt. Im Vergleich zu anderen Tokolytika treten Nebenwirkungen (Hautirritationen) sehr selten auf. Daneben können Entspannungsbäder mit Lavendel (Milch oder Rosenöl) helfen. Häufig führen auch Änderungen im Tagesablauf, welche zu einer Senkung der Belastung führen, zu einer Verminderung von vorzeitigen Kontraktionen.