Werdende Mütter mit Diabetes mellitus

Wenn eine Diabetikerin schwanger wird, ist es besonders kritisch, den Blutzuckerspiegel konstant zu halten. Was ausserdem noch wichtig ist...

Frau gibt sich Spritze in den Bauch

Noch stärker als die in der Schwangerschaft zum ersten Mal aufgetretene Zuckerkrankheit (Gestationsdiabetes) erfordert ein bereits bestehender Diabetes mellitus vom Typ 1 oder Typ 2 eine besonders sorgfältige Beobachtung und Einstellung während der Schwangerschaft.

Vorsorge am besten schon vor der Schwangerschaft


Lassen Sie sich während der ganzen Schwangerschaft gynäkologisch und diabetologisch gemeinsam betreuen, möglichst gleich nach dem positiven Schwangerschaftstest - aber optimalerweise sogar schon ab dem Zeitpunkt, an dem Sie eine Schwangerschaft planen. Die wenigsten Komplikationen sind zu befürchten, wenn Sie in einer Phase schwanger werden, in der Sie optimal eingestellt sind und noch keine Anzeichen für Diabeteskomplikationen haben (z.B. an Augen und Nieren). Bei einer geplanten Schwangerschaft empfiehlt es sich, bereits in den drei Monaten vor der Schwangerschaft den HbA1c-Wert unter 6,5 oder zumindest 7 Prozent einzustellen. Dieser Wert gibt als eine Art „durchschnittlicher Blutzuckerspiegel" die Stoffwechseleinstellung der vergangenen Wochen wider - gleichgültig, ob die Werte in der Zwischenzeit kurzfristig einmal stark angestiegen oder gesunken waren. Nach Erreichen einer stabilen Einstellung kann die Verhütung nach Rücksprache mit dem Frauenarzt dann abgesetzt werden.

Was sich in der Schwangerschaft ändert


Die im Körper während der Schwangerschaft produzierten Hormone hemmen die Wirkung von Insulin, der Bedarf an Insulin steigt also. So wird es für die meisten Diabetikerinnen schwieriger, den Blutzuckerspiegel konstant zu halten. Häufige Messungen, bis zu zehnmal am Tag, sind empfehlenswert. Die Blutzuckerkontrollen sollten vor und nach jeder Mahlzeit, vor dem Schlafengehen und zwei Mal pro Woche auch nachts erfolgen. Vor allem eine Hypoglykämie, also Unterzuckerung passiert leicht und muss vermieden werden. Gefährlich sind hier vor allem die ersten 18 Wochen. Sie sollten also jederzeit mit kurz wirksamem Insulin oder durch Zufuhr von Broteinheiten reagieren können. Bei schwerer Unterzuckerung sollte ein Glucagon-Notfallset benutzt werden, über dessen Anwendung auch der Partner Bescheid wissen sollte. Aber auch eine Überzuckerung (Hyperglykämie) ist für das Baby gefährlich, v.a. in Zusammenhang mit einer Ketoazidose. Ketonkörper passieren die Plazenta und können zu einer schweren, lebensgefährlichen Übersäuerung des Kindes führen.

Regelmässige augenärztliche Untersuchungen (mindestens alle drei Monate) sind unerlässlich, denn die diabetesbedingte Netzhauterkrankung ist die häufigste Augenerkrankung in der Schwangerschaft. Sie kann sich in den neun Monaten massiv verschlechtern. Eine konsequente Behandlung der diabetischen Retinopathie vor oder spätestens zu Beginn der Schwangerschaft ist wichtig.

Angepasste sportliche Aktivitäten und Ernährung mit kohlenhydratreicher Kost ist angesagt, wobei die Insulindosis meist etwas erhöht wird. Humaninsuline sind die Medikamente der ersten Wahl. Aber auch Insulinanaloga werden vielfach verwendet. Orale Antidiabetika (Tabletten) sind bei Schwangeren mit Typ-2-Diabetes grundsätzlich nicht erlaubt. Die Einnahme von Folsäure dagegen ist für Diabetikerinnen besonders wichtig, weil das Risiko für einen Neuralrohrdefekt (z.B. offener Rücken) erhöht ist. 

Das alles hört sich schlimmer an, als es wirklich ist. Unter sorgfältiger ärztlicher Beobachtung wird Ihre Schwangerschaft wahrscheinlich ganz normal verlaufen. Ein- bis dreimal pro Woche sollten das Gewicht, das Blutzuckerprofil und der Blutdruck kontrolliert werden. Das Blutdruckmedikament der Wahl in der Schwangerschaft ist Alphamethyldopa. Das Risiko für Präeklampsien lässt sich durch eine Behandlung mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) etwas vermindern.

Komplikationen bei schlechter Blutzuckereinstellung


Ist Ihr Kohlenhydratstoffwechsel nicht optimal eingestellt, kann dies während der Schwangerschaft zu Komplikationen bei Ihrem Kind, aber auch bei Ihnen selbst (Nieren, Augen) führen. Auch bei einer gut eingestellten Diabetikerin treten einige Schwangerschaftskomplikationen leider etwas häufiger auf. Dazu gehören Harnwegsentzündungen, Bluthochdruck (Hypertonie), Präeklampsie (EPH-Gestose oder Schwangerschaftsvergiftung) sowie Fruchtwasservermehrung (Polyhydramnion). Darüber hinaus neigen zuckerkranke Frauen während der Schwangerschaft auch vermehrt zu Soor (Pilzinfektionen in der Scheide), vermutlich weil das Vaginalsekret mehr Zucker enthält.

Auch vorzeitige Wehen sind häufiger, und in manchen Fällen muss das Kind vorzeitig (in der Regel etwa in der 38. Schwangerschaftswoche) geboren werden, wenn es ihm in der Gebärmutter nicht mehr gut geht. In diesen Fällen werden entweder Wehen eingeleitet oder, wenn dies nicht möglich ist, das Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht.

Gefahr für Ihr ungeborenes Kind


Wenn der Blutzuckerwert im ersten Drittel der Schwangerschaft nicht optimal eingestellt ist, besteht ein drei- bis viermal höheres Risiko, dass das Kind nicht gesund zur Welt kommt. Die Gefahr einer fetalen Schädigung ist dabei ganz eindeutig von einer optimalen Einstellung des Blutzuckerspiegels der werdenden Mutter abhängig - je schlechter die Einstellung, umso gefährdeter ist das Baby. 

Und nach der Geburt?


Nachdem sich der Stoffwechsel in der zweiten Schwangerschaftshälfte stabilisiert hat, sinkt der Insulinbedarf nach der Entbindung unter Umständen drastisch ab. Teilweise ist in den ersten Tagen nach der Geburt überhaupt kein Insulin nötig. Auch das Stillen hat einen blutzuckersenkenden Effekt – die Insulindosis muss deshalb in dieser Phase immer wieder angepasst werden.

Das Neu­ge­bo­re­ne einer Diabetikerin ist - auch wenn es sehr gross und schwer ist -  meist in sei­nen Kör­per­funk­tio­nen noch sehr un­reif. So kann der Blut­zu­cker­spie­gel des Kin­des bei der Ge­burt plötz­lich ab­fal­len (Hy­po­gly­kä­mie oder Un­ter­zu­cke­rung) und Krampf­an­fäl­le aus­lö­sen. Häufig ist auch eine spezielle Form der Neu­ge­bo­re­nen-Gelb­sucht (Ik­te­rus). Die Kin­der von Dia­be­ti­ke­rin­nen kom­men auch häu­fi­ger als Früh­ge­burt auf die Welt, und dann be­steht mehr noch als bei an­de­ren Früh­ge­bo­re­nen die Ge­fahr, dass die Lun­gen bei der Ge­burt noch nicht rich­tig aus­ge­reift sind. 

Häufige Fragen zum Thema

Das ist nicht so einfach vorherzusagen, denn die Entscheidung zu einem Kaiserschnitt hängt nicht nur vom Gewicht des Kindes ab. Die meisten „Schwergewichte“ können ganz normal geboren werden. Wichtiger ist, ob das Kind schon reif genug ist , dem Wehenstress bei einer vaginalen Geburt standhalten …
Letzte Aktualisierung: 26.05.2021, BH