Prävention beginnt im Bauch
Interview mit Dr. med. Katharina Quack Lötscher
swissmom: Was kann eine Mutter tun, damit sie gesund und fit bleibt und das Baby später ein geringeres Risiko hat, an Herz-Kreislauf-Krankheiten bzw. Diabetes (Blutzuckerkrankheit) zu erkranken?
Dr. med. Katharina Quack Lötscher: Ein Teil des Risikos, an einer Herz-Kreislauf-Krankheit oder an Diabetes zu erkranken, ist vererbt. Aber durch eine gesunde Lebensführung – dazu gehören nicht rauchen, genügend Schlaf, genügend Bewegung und eine ausgewogene Ernährung – können die Risiken für die genannten Krankheiten reduziert werden. Dies gilt sicher für die Mutter, und neuere Forschung zeigt, dass das gesunde Verhalten der Mutter auch einen günstigen Effekt auf das Baby hat. Eine gesunde Lebensführung sollte auch nach der Geburt des Kindes weitergeführt werden, da die Mutter eine wichtige Vorbildfunktion für das Kind hat.
Frau Dr. med.Katharina Quack Lötscher hat einen Facharzttitel FMH für Prävention und Gesundheitswesen und arbeitet als Ärztin und Projektleiterin von PEBS in der Klinik für Geburtshilfe am Universitätsspital Zürich. Sie ist Mutter von drei Kindern.
swissmom: Was bietet das Universitätsspital Zürich im Pilotprojekt „Präventive Ernährungs- und Bewegungsberatung in der Schwangerschaft bis ein Jahr nach der Geburt“ an? Und wie können die schwangeren Frauen zur individuellen Ernährungsberatung vorbei kommen?
Dr. med. Katharina Quack Lötscher: Unser Pilotprojekt PEBS umfasst eine individuelle Ernährungsberatung 2 x während der Schwangerschaft und 2 x nach der Geburt sowie Fitnesskurse für Schwangere und Mütter in der Gruppe. Ursprünglich waren die Angebote nur für Frauen geplant, die in der Geburtshilflichen Poliklinik des Universitätsspitals Zürich betreut werden. Wir haben aber das Angebot jetzt auch für auswärtige Frauen geöffnet. Wenn sich auswärtige Frauen für dieses Angebot interessieren, können sie sich bei der unten aufgeführten Email-Adresse melden.
swissmom: Ist diese Beratung für alle Schwangeren, normal- und übergewichtige?
Dr. med. Katharina Quack Lötscher: Das ganze Angebot von PEBS ist für alle Schwangeren gedacht, egal ob sie normal-, übergewichtig oder untergewichtig sind. In der Ernährungsberatung wird aufgezeigt, wie eine Schwangere mit einer gesunden Ernährung eine normale Gewichtszunahme erreichen kann. Gleichzeitig wird in den Fitnesskursen die Ausdauer trainiert und Rücken- und Haltungsbeschwerden vorgebeugt. Wir bemühen uns auch, in den Fitnesskursen die Konakte unter Schwangeren und Müttern zu fördern, was häufig für Migrantinnen sehr hilfreich ist.
swissmom: Was ist das Ziel dieses Pilotprojektes?
Dr. med. Katharina Quack Lötscher: Das Hauptziel unseres Projektes ist es, dass Frauen ein Jahr nach der Geburt des Kindes ein Normalgewicht (BMI 18.5 – 24.9) erreichen. Damit können sie dem Risiko, später im Leben übergewichtig zu bleiben, sehr gut vorbeugen. Aus skandinavischen Studien ist bekannt, dass über 70% der übergewichtigen Frauen angeben, dass eine Schwangerschaft mitverantwortlich für das Übergewicht, bzw. dessen Auslöser war. Um ein Normalgewicht ein Jahr nach der Geburt zu erreichen, sollte man aber schon während der Schwangerschaft nicht übermässig an Gewicht zunehmen. Die derzeit empfohlene Gewichtszunahme hängt vom Body Mass Index (BMI) vor der Schwangerschaft ab .
swissmom: Neben der individuellen Ernährungsberatung bietet das Projekt auch Fitnesskurse an, welche? Können alle Schwangeren daran teilnehmen oder gibt es Ausnahmen?
Dr. med. Katharina Quack Lötscher: An den Fitnesskursen können grundsätzlich alle Schwangeren und Mütter teilnehmen. Die Teilnahme wird jedoch nicht empfohlen, wenn eine Schwangere ein Risiko für Blutungen oder eine vorzeitige Reifung des Muttermundes hat. In diesen Fällen sollte auf Sport verzichtet werden. Das Ziel der Kurse ist es, dass die Schwangeren für mindestens 30 Minuten etwas ausser Atem kommen. Dieses Ziel sollte eigentlich jeden Tag erreicht werden, und die Schwangeren erhalten auch Anleitung in den Kursen, wie sie das im Alltag umsetzen können. Unsere Fitnesskurse umfassen für die Schwangeren derzeit orientalischen Bauchtanz und eine Mischung aus kardio-vaskulärem Training und Yoga. Die Kursleiterinnen haben eine bewegungs-pädagogische Ausbildung für Schwangerschaftsgymnastik, und die Kurse wurden speziell auf die Anforderungen von Schwangeren ausgerichtet. In den Fitnesskursen für die Mütter bieten wir Nordic Walking mit Kleinkind im Tragtuch und einen buggyfit-Kurs (Kind im Kinderwagen) an. Hier wird neben dem Ziel, 30 Minuten etwas ausser Atem zu kommen, auch das Beckenbodentraining gefördert und die Fettverbrennung angekurbelt. Für alle Kurse gilt, dass wir den Frauen den Spass an der Bewegung näher bringen möchten.
swissmom: Empfehlen Sie bestimmte Sportarten und können Sie auch Schwangeren, die schon vor der Schwangerschaft intensiv Sport getrieben haben, Empfehlungen abgeben, wie weiter zu trainieren und welche Sportarten empfehlenswert und welche nicht empfehlenswert sind in der Schwangerschaft?
Dr. med. Katharina Quack Lötscher: Grundsätzlich kann und soll während der Schwangerschaft weiterhin Sport getrieben werden. Allerdings sind Sportarten mit Sturzgefahr dann nicht mehr geeignet. Jogging und Laufsportarten sind ab dem zweiten Schwangerschaftstrimester wegen der Schläge auf den Beckenboden, Bauch und Rücken mit Vorsicht durchzuführen. Auch Krafttraining der Bauchmuskulatur ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr geeignet. Für die Schwangerschaft bieten sich Nordic Walking, Wandern (unter 2500 m Höhe), Gymnastik, Schwimmen und Aquafit an. Generell sollte der Puls nicht über 140 Schläge pro Minute steigen.
swissmom: Wichtig ist auch der Einfluss auf die spätere Gesundheit und das Wohlbefindens des Kindes. Kinder, die mit Eltern zusammen aufwachsen, die sich gerne bewegen, imitieren das auch. Wie wirkt sich diese Freude an Bewegung auf das Gewicht des Kindes im späteren Leben aus? Gibt es Hinweise, dass lebendige, normalgewichtige Kinder auch gesünder sind? Haben da Eltern auch eine Vorbildfunktion?
Dr. med. Katharina Quack Lötscher: Die Eltern haben eine sehr wichtige Vorbildfunktion, gerade in den ersten Lebensjahren des Kindes. Wenn das Kind von Anfang an lernt, dass man auch zu Fuss gehen kann und nicht überall hin mit dem Auto fährt, dann kann es auch seinen angeborenen Bewegungsdrang gut ausleben. Aus Studien ist bekannt, dass ein übergewichtiger Elternteil einer der grössten Risikofaktoren für ein übergewichtiges Kind ist. Das Risiko wird noch verstärkt, wenn beide Elternteile übergewichtig sind.
swissmom: Wie wird dieses Pilotprojekt (PEBS) „Präventive Ernährungs- und Bewegungsberatung in der Schwangerschaft bis ein Jahr nach der Geburt“ unterstützt?
Dr. med. Katharina Quack Lötscher: Die Angebote von PEBS sind für die Schwangeren und Mütter derzeit kostenlos. So wollen wir möglichst viele Frauen ermuntern, an dem Projekt teilzunehmen. Die Kosten des Projekts werden zum grössten Teil von der Gesundheitsförderung des Kantons Zürich (www.leichter-leben-zh.ch) übernommen. Die Integrationsförderung des Kantons Zürich und das Universitätsspital Zürich unterstützen das Projekt auch finanziell.
Kontakt: Email: pebs@usz.ch, Telefon 044 255 4915 (ausser donnerstags)