Essstörungen auch im Schulalter verbreitet
Aus der Forschung
Typische Essstörungen wie Magersucht (Anorexie) oder Ess-Brechsucht (Bulimie) sind unter Schulkindern stark verbreitet, das ist hinlänglich bekannt. Kleine Kinder sind dagegen häufig einfach „Kostverächter“ oder wählerische Esser, auch das wissen alle Eltern.
Neu ist die Erkenntnis, dass die sogenannten „untypischen Essstörungen“ nicht nur Kleinkinder sondern auch Kinder im Schulalter betreffen. Im Rahmen einer Studie der Universität Fribourg mit 730 Kindern aus den Kantonen BE, FR und VD – davon 362 deutschsprachige und 368 französischsprachige – wurde zum ersten Mal das Ausmass dieses Phänomens unter den 8- bis 13-Jährigen beziffert. Die Resultate sind nicht erfreulich: Rund ein Drittel der Kinder in der Schweiz weisen solche Störungen im Essverhalten auf, wie die Experten berichten.
Untypische Störungen im Essverhalten lassen sich grob in drei Untergruppen aufteilen:
Selektives Essen (stark eingeschränktes Spektrum an konsumierten Nahrungsmitteln) ist die mit 20,3 Prozent am häufigsten auftretende Störung. Die Kinder sind sehr wählerisch beim Essen, weigern sich auch Neues auszuprobieren, haben praktisch keinen Appetit, Essen interessiert sie nicht sonderlich; das Gewicht spielt eine untergeordnete Rolle.
Die periodische Nahrungsvermeidung mit emotionaler Störung (food avoidance emotional disorder) folgt mit 7,9 Prozent. Tritt nur ab und zu auf, eher im Zusammenhang mit bestimmten Situationen oder Menschen; hier spielt das Gewicht gar keine Rolle.
Die funktionelle Dysphagie (Nahrungsverweigerung aus Angst, daran zu ersticken, vergiftet zu werden oder erbrechen zu müssen) ist mit 1,6 Prozent eher selten.
Die Ergebnisse zeigen, dass diese restriktiven und vermeidenden Essverhalten, die bis anhin vor allem im Kleinkindesalter bekannt waren, durchaus auch im Schulkindesalter mit einer gewissen Häufigkeit auftreten.
Ebenfalls ergab die Auswertung, dass untergewichtige Kinder ein deutliches höheres Risiko zu einer die Nahrung vermeidenden Störung aufweisen (20,9 Prozent) als Kinder mit Normal- oder Übergewicht.
Insbesondere das selektive Essverhalten könne ein Vorbote einer Magersucht oder einer anderen Essstörung sein und die physische oder psychische Entwicklung der Kinder nachhaltig stören. Es sei deshalb wichtig, die Zeichen zu erkennen.
Die Studie ist der erste Teil der „Swiss University Study of Nutrition“ (SUN), des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unter der Leitung der Universität Fribourg, in Zusammenarbeit mit Prof. Anja Hilbert der Universität Leipzig (D).
Aus der Forschung: Z. van Dyck et al.; Zeitschrift für Gesundheitspsychologie; DOI:10.1026/0943-8149/a000091, 2013