Übergewicht bei Kindern
Woran erkennen Eltern, dass ihr Kind übergewichtig ist - und was hilft dabei, ein gesundes Körpergewicht anzustreben?
Übergewicht bei Kindern ist weit verbreitet. Gemäss Angaben von Gesundheitsförderung Schweiz sind rund 17 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in der Schweiz übergewichtig, mehr als 4 Prozent davon gar adipös. Das bedeutet, dass sie ein starkes, krankmachendes Übergewicht haben.
Warum entwickeln Kinder Übergewicht?
Die Ursachen für Übergewicht in der Kindheit sind mehrschichtig. Ein Teil davon ist genetisch bedingt, d. h. es wird vererbt. Oft sind auch die Eltern, Grosseltern und andere Verwandte von betroffenen Kindern übergewichtig.
Die Gene alleine bestimmen jedoch nicht, ob ein Kind zu viele Kilos auf die Waage bringt. Auch die Schwangerschaft spielt eine Rolle: Eine ungünstige Ernährung, bestehendes Übergewicht der Mutter oder eine grosse Gewichtszunahme in der Schwangerschaft gelten als Risikofaktor dafür, dass das Kind später zu viel an Gewicht zulegt.
Einen starken Einfluss haben zudem die Essgewohnheiten einer Familie. Es macht einen Unterschied, ob häufig Fertiggerichte auf den Tisch kommen oder ob die Eltern frisch kochen. Ob Kinder und Erwachsene zwischen den Mahlzeiten fett- und zuckerreiche Snacks oder konsumieren oder frisches Obst essen. Ob der Durst mit Süssgetränken oder mit Wasser gestillt wird. Ob oft nebenbei vor dem Bildschirm gegessen wird oder ob man sich bewusst Zeit für Mahlzeiten nimmt.
Auch die Bewegungsgewohnheiten der Familie sind ein wichtiger Einflussfaktor. Eltern, die selber kaum Sport treiben, die das Kind selbst auf kürzesten Strecken mit dem Auto fahren und die stets den Lift anstelle der Treppe nehmen, leben einen bewegungsarmen Lebensstil vor und prägen das Kind entsprechend.
Die Art und Weise, wie Kinder ihre Freizeit gestalten, hat ebenfalls einen Einfluss auf das Körpergewicht. Studien haben gezeigt, dass Kinder, die sehr viel Zeit vor Bildschirmen verbringen, häufiger an Übergewicht leiden. Ob dies darauf zurückzuführen ist, dass sie sich weniger bewegen oder ob die Snacks und Süssgetränke, die sie dabei konsumieren, die entscheidende Rolle spielen, ist nicht abschliessend geklärt. Schliesslich neigen Kinder, die unter sozialen Problemen leiden, dazu, ihren Frust mit übermässigem Essen zu kompensieren.
In seltenen Fällen wird Übergewicht bei Kindern durch körperliche Erkrankungen wie z. B. eine Störung der Schilddrüse verursacht. Auch die Einnahme von Medikamenten wie z. B. Kortison ist gelegentlich für die Gewichtszunahme verantwortlich.
Wie wird Übergewicht bei Kindern festgestellt?
Bei Erwachsenen wird Übergewicht mithilfe des Body-Mass-Index (BMI) ermittelt. Dieser wird anhand der folgenden Formel berechnet: Körpergewicht in kg geteilt durch die Körpergrösse in m im Quadrat.
Bei Kindern kann dieser Wert ebenfalls berechnet werden. Da sie sich jedoch noch im Wachstum befinden, reicht der BMI alleine nicht aus, um Übergewicht festzustellen. Der errechnete BMI-Wert muss mit Durchschnittswerten verglichen werden. Er wird deshalb in Relation zu den sogenannten Perzentilkurven gesetzt. Diese Kurven zeigen an, wie sich das Gewicht des Kindes im Vergleich zum Gewicht anderer Kinder desselben Alters entwickelt. Sie sind für Mädchen und Jungen unterschiedlich, da das Längenwachstum und das Gewicht nicht nur vom Alter, sondern auch vom Geschlecht abhängig sind.
Liegt der BMI des Kindes auf der 50. Perzentile, ist die eine Hälfte aller Kinder in diesem Alter schwerer, die andere Hälfte leichter. Liegt er über der 90. Perzentile, ist das Kind schwerer als 90 Prozent seiner Altersgenossen und somit übergewichtig. Liegt der Wert über der 97. Perzentile, spricht man von Adipositas, also schwerem Übergewicht. Bei Werten unter der 10. Perzentile liegt ein Untergewicht vor. Mithilfe des Rechners von Gesundheitsförderung Schweiz können Sie den BMI Ihres Kindes ausrechnen.
Welche Auswirkungen kann Übergewicht haben?
Wenn ein Kind ein paar Kilos zu viel auf die Waage bringt, sind viele Erwachsene zunächst einmal nicht sonderlich besorgt. Viele gehen davon aus, dass der "Babyspeck" sich auswächst, wenn das Kind grösser wird. Es ist jedoch wichtig, das Gewicht des Kindes im Auge zu behalten.
Dies einerseits wegen der Folgen, die das zusätzliche Gewicht bereits in der Kindheit haben kann. So kann es dem Kind beispielsweise schwerfallen, sich sportlich zu betätigen, weil es schneller an seine Grenzen stösst. Nicht nur das Herz-Kreislaufsystem wird stärker beansprucht, auch das Skelett und die Muskulatur sind einer höheren Belastung ausgesetzt. Dies kann zu Fehlbelastungen, Schmerzen und einem frühzeitigen Verschleiss der Gelenke führen. Auch die Bildung von Senkfüssen, X- oder O-Beinen ist möglich. Bei Mädchen kann Übergewicht ausserdem zu einem frühzeitigen Einsetzen der Pubertät führen, während sich diese bei übergewichtigen Jungen verzögern kann. Bei ihnen ist zudem eine Vergrösserung der Brust möglich.
Neben diesen körperlichen Folgen sind für viele betroffene Kinder auch die sozialen Konsequenzen erheblich. Zum einen, weil sie von anderen gehänselt und ausgeschlossen werden. Zum anderen, weil die Freude an vielen körperlichen Aktivitäten verloren geht und die Kinder sich zurückziehen. Dies kann zu einem regelrechten Teufelskreis führen: Das Kind fühlt sich einsam, versucht sich mit Essen zu trösten und legt erst recht an Gewicht zu.
Zusätzlich zu diesen unmittelbaren Folgen wirkt sich Übergewicht in der Kindheit auch langfristig aus. Das Risiko, im Erwachsenenalter übergewichtig zu bleiben, ist erhöht. Damit steigt das Risiko für Folgeerkrankungen wie Diabetes Typ 2, Herz-Kreislauferkrankungen, Gelenkerkrankungen, Störungen des Fettstoffwechsels und des Hormonhaushalts, Gallensteine, Verfettung der Leber etc.
Was hilft gegen Übergewicht bei Kindern?
Eine dauerhafte Umstellung der Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten ist der einzige Weg, um dem Übergewicht den Kampf anzusagen. Besprechen Sie mit Ihrer Kinderärztin, welches Ziel dabei bei Ihrem Kind vorrangig sein soll: Das Gewicht nicht weiter ansteigen zu lassen oder eine Gewichtsreduktion anzustreben. In den allermeisten Fällen ist es nicht das Ziel, das Gewicht zu reduzieren, sondern darauf zu achten, dass es konstant bleibt. Indem das Kind wächst, wird es so zunehmend schlanker.
Radikale Diäten eignen sich aus verschiedenen Gründen nicht für Kinder. Zum einen brauchen Kinder gesunde und ausgewogene Mahlzeiten, um im Alltag genügend Energie zu haben. Da sie im Wachstum sind, sind sie auf eine ausreichende Nährstoffzufuhr angewiesen. Eine Diät, bei der Mahlzeiten ausgelassen oder bestimmte Lebensmittel weggelassen werden, führt dazu, dass der Körper nicht bekommt, was er braucht. Radikale Diäten erhöhen obendrein das Risiko für Essstörungen.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Starre Essensvorschriften lassen sich kaum über längere Zeit aufrechterhalten. Geht man nach einer erfolgreichen Diät zu den vorherigen Essgewohnheiten über, steigt das Gewicht schnell wieder an. Ausserdem führen Verbote dazu, dass die nicht erlaubten Lebensmittel besonders attraktiv erscheinen. Experten empfehlen, einem übergewichtigen Kind Süssigkeiten und salzige Snacks nicht komplett zu verbieten. Es wird sonst einen Weg finden, wie es selber an solche Lebensmittel herankommt und dann besteht das Risiko, dass es diese in einem unkontrollierten Mass konsumiert.
Wie sieht eine ausgewogene Ernährung aus?
Für eine Ernährung, die ausgewogen ist und alle wichtigen Nährstoffe liefert, können Sie sich an den Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) orientieren. Sie müssen allerdings nicht peinlich genau darauf achten, dass Ihr Kind jeden Tag exakt diese Dinge isst. Je nachdem, wie gross es ist, wie viel oder wenig es sich bewegt und welchen Aktivitäten es nachgeht, mag es weniger oder etwas mehr essen. Wichtig ist daher, dass die Ernährung auf lange Sicht ausgewogen ist und dass das Kind z. B. mal ein paar Tage auf Süsses oder Snacks verzichten kann, wenn es auf einer Geburtstagsparty mehr davon gegessen hat als üblich.
Für ein Kind im Alter von vier bis sechs Jahren empfiehlt die SGE täglich:
- 8 dl Getränke, vorzugsweise Wasser oder ungesüsster Früchte- oder Kräutertee.
- Drei Portionen Gemüse à 70 g und zwei Portionen Früchte à 100 g in verschiedenen Farben.
- Drei bis vier Portionen Getreideprodukte, Kartoffeln oder Hülsenfrüchte. Eine Portion entspricht z. B. 50 g Brot, 40 g Hülsenfrüchten (Trockengewicht), 180 g Kartoffeln oder 40 g Reis oder Teigwaren (Trockengewicht). Vollkornprodukte sollten bevorzugt werden.
- Drei bis vier Portionen Milch oder Milchprodukte. Eine Portion entspricht 1 dl Milch, 100 g Joghurt, Quark oder Hüttenkäse, 15 g Halbhart- oder Hartkäse oder 30 g Weichkäse.
- Eine zusätzliche Portion eines proteinreichen Lebensmittels wie Fleisch, Fisch, Tofu, Quorn, Ei, Seitan, Käse oder Quark. Eine Portion entspricht 50 g.
- Vier Kaffeelöffel Pflanzenöl, davon mindestens die Hälfte in Form von Rapsöl. Zusätzlich ca. ein Kaffeelöffel (5 g) Butter, Margarine oder Rahm.
- Eine Portion Nüsse à 20 g.
- Maximal eine kleine Süssigkeit oder ein Snack, z. B. eine Reihe Schokolade, eine kleine Glacekugel, eine kleine Handvoll Chips (20 g) oder ein Glas (2 dl) Süssgetränke.