Kaiserschnitt ist bei Frühgeburt nicht schonender
Aus der Forschung
Die Hälfte aller Frühgeburten erfolgt in den USA und den meisten westlichen Ländern heute per Kaiserschnitt. Der Grund: Eine Kaiserschnittentbindung (Sectio caesarea) soll bei einer Frühgeburt oder einem Baby, das zu klein für die Schwangerschaftswoche ist (Mangelgeburt), die sicherste Form der Entbindung sein.
Diese verbreitete und zunächst logisch erscheinende Meinung konnte in einer Studie an der Johns Hopkins University in Baltimore/USA nicht bestätigt werden. Bisher war man davon ausgegangen, dass ein Kaiserschnitt für ein schwaches Baby schonender sei als eine vaginale Geburt. Das Gegenteil ist möglicherweise sogar der Fall. Nach den vorgestellten Daten leiden Frühgeborene nach Kaiserschnitt häufiger unter Komplikationen der Atmung, und der Apgar-Wert ist tendenziell niedriger.
Die Wissenschaftlerin Erika Werner stellte ihre Ergebnisse auf der Tagung der "Society for Fetal-Maternal Medicine" vor. Sie hat mit ihrer Arbeitsgruppe die Entlassungsdiagnosen von 2.560 Neugeborenen ausgewertet, die in den Jahren 1995 bis 2003 zwischen der 25. und 34. Woche entbunden wurden und für ihr Gestationsalter (Schwangerschaftswoche) zu klein waren. Kinder, die vom Gewicht her in der unteren 10%-Gruppe aller Neugeborenen liegen, bezeichnet man als „small for gestational age“ oder SGA. Der Anteil der Kaiserschnitte lag bei 54 Prozent. Nur noch 46 Prozent wurden vaginal entbunden. Die Rate von schweren Geburtskomplikationen wie Hirnblutungen, Krampfanfällen oder Blutvergiftung (Sepsis) war in beiden Gruppen gleich.
Ein Atemnotsyndrom (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS) wurde nach Kaiserschnitt sogar zu 30 Prozent häufiger diagnostiziert. Dieses Ergebnis hielt auch einer Multivariat-Analyse stand, in der andere potenzielle Ursachen für ein ARDS einflossen wie Alter der Mutter, ethnische Herkunft, Erziehung, Versichertenstatus, Gewicht vor der Schwangerschaft, Gestationsalter, Diabetes und arterielle Hypertonie.
Auch der Anteil der Kinder mit einem Apgar von unter 7 war unter den Schnittentbindungen um 40 Prozent höher. Dieses Risiko war nach einer Multivariat-Analyse jedoch nicht mehr signifikant.
Eine rückwirkende Untersuchung kann ein erhöhtes Risiko nie zweifelsfrei beweisen. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Gynäkologen sich in schwierigeren Fällen eher zu einer Sectio caesariae entschliessen, ohne dass sich dies in den in Eigenschaften der Mütter oder in den Entlassungsdiagnosen abbildet. Die erhöhte Rate von ARDS passt aber zu der Annahme, wonach die Enge des Geburtskanals hilft, bei der vaginalen Entbindung die Atemwege „freizupressen“, was die ersten Atemzüge des Kindes erleichtern soll.
Aus der Forschung: www.smfmnewsroom.org/2012