Nach der Geburt: Plazenta essen?

Aus der Forschung

Plazenta in Schale mit OP Besteck
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500 Gramm wiegt der Mutterkuchen nach der Geburt. Sie ist 15 bis 20 Zentimeter groß, schwammig in der Konsistenz und ziemlich blutig. Die Plazenta ist beim Menschen – wie bei allen Säugetieren -  äusserst wichtig für den heranwachsenden Embryo. Sie übernimmt vorgeburtlich die Aufgaben der Organe und versorgt den Embryo mit Nährstoffen, schützt ihn vor Krankheitserregern sowie schädlichen Umwelteinflüssen und produziert Hormone, welche die Schwangerschaft so lange wie nötig aufrecht erhalten. Das Leben des Kindes hängt also nicht gering von der guten Funktion der Plazenta ab.

Säugetiere fressen den Mutterkuchen nach der Geburt, um einerseits wieder zu Kräften zu kommen und andererseits keine Aasfresser anzulocken. Beim Menschen ist das anders. In der Regel wird die Nachgeburt einfach entsorgt, in Ägypten, Australien und China traditionell vergraben.

Im Netz geistern neuerdings enthusiastische Berichte über die Plazenta als Wunder-Lebensmittel. Da gibt es ungewöhnliche Rezepte, z.B. für eine Lasagne, die aus einer gehackten menschlichen Plazenta zubereitet wird. Auch Globuli für Mutter und Kind können aus dem Mutterkuchen hergestellt werden. Und Promi-Mamas wie Kourtney Kardashian rühren ordentlich die Werbetrommeln für Plazenta-Kapseln und Plazenta-Smoothies. Schliesslich enthält die Plazenta zahlreiche Hormone und Nährstoffe, die doch irgendwie einen Nutzen haben müssten.

Noch in den 1980er Jahren wurden in Deutschland mit Hormocenta und Placentubex C Plazenta-Präparate zur Hautverjüngung verkauft - allerdings nicht zum Verzehr, sondern als Hautcreme. Nach Meinung der heutigen Befürworter soll der Verzehr der Plazenta (Plazentophagie) vor Wochenbett-Depressionen schützen, die Milchproduktion anregen, das Immunsystem stärken und die Mutter-Kind-Bindung verbessern. Auch das Abnehmen nach der Schwangerschaft würde schneller gehen.

Wissenschaftler warnen jedoch davor. Die Forschergruppe um Cynthia Coyle und Crystal Clark von der Northwestern University in Chicago ist das Thema aus wissenschaftlicher Sicht angegangen. Die Ergebnisse ihrer Literatur-Recherche haben sie im Fachblatt Archives of Women's Mental Health veröffentlicht. Das Fazit lautet: „Es gibt keine Studien, die den Nutzen für den Menschen belegen."

Und die Risiken sind noch nicht ausreichend erforscht. Schliesslich wirkt die Plazenta während der Schwangerschaft auch als Schadstoff-Filter für das Ungeborene. Verschiedene Viren, Bakterien, Umweltgifte wie Blei- und auch Quecksilber-Rückstände sind in der Plazenta zu finden. Bei stillenden Müttern werden diese dann auch an die Kinder weitergegeben. So wurde 2016 wurde vom US Center for Disease Control and Prevention ein Fall berichtet, in dem ein Neugeborenes schwer an einer Infektion mit Gruppe B-Streptokokken (GBS) erkrankte. In den Plazentakügelchen hatten sich die Erreger gehalten.

Rein rechtlich gesehen, gehört die Plazenta der Mutter, die frei darüber verfügen kann. Sie kann sie also nach der Geburt einfordern und mit nach Hause nehmen, im Garten vergraben und einen Lebensbaum darauf pflanzen. Oder auch verzehren. Allerdings führte in England ein Fall von Plazentophagie zur Strafverfolgung - wegen Kannibalismus…

Aus der Forschung: Cynthia Coyle  et al.: Archives of Women's Mental Health, October 2015, Volume 18/5, S. 673-680

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Letzte Aktualisierung: 10.05.2021, BH