Verlauste Bande
Als der Erste im Spätherbst damit anfing, sich am Kopf zu kratzen, versuchte ich erst mal, die Sache zu ignorieren. "Keine Zeit für Läuse jetzt", grummelte ich und wartete ab. Doch das Kratzen wurde schlimmer. Mir war klar, dass ich etwas unternehmen musste, sonst würde es am Ende noch heissen: "Die mit den fünf Kindern hat's mal wieder nicht im Griff. Lässt ihre Saubande vollkommen verlaust zur Schule gehen." Also machte ich mich auf die Suche nach dem Nissenkamm, der vom letzten Lausbefall, der schon etliche Jahre zurückliegt, noch irgendwo hätte rumliegen müssen. Tat er aber nicht. Also besorgte ich uns einen neuen und wunderte mich über den hohen Preis von fast zehn Franken für ein Plastikding, das man doch eigentlich lieber nicht kaufen möchte. Ich machte mich also daran, die dichte Mähne meines Jüngsten zu durchkämmen. Keine Laus, keine Nisse, nichts. Auch bei den anderen Kindern nicht, die sich bereits auffällig am Kopf kratzten.
Was also tun? Das Kratzen weiter ignorieren, oder der Vorsicht halber eine Lauskur machen? Schweren Herzens entschied ich mich für die zweite Option, um nicht doch noch bei meinen Mitmüttern in Verruf zu geraten. Drei Wochen später, nach zwei grossen Flaschen Lausmittel und einer ausgiebigen Bettwäsche-Waschaktion war noch immer keine Laus gefunden, das Kratzen aber wurde immer schlimmer. Der Jüngste richtete mir eines Tages aus, die Kindergärtnerin bitte mich, ihn mal nach Läusen abzusuchen. "Das mache ich ja schon die ganze Zeit, aber was soll ich denn tun, wenn sich die Biester nie zeigen?", antwortete ich voller Verzweiflung und schrieb der Kindergärtnerin ein nettes Brieflein, in dem ich sie um Geduld bat, ich müsste mir gerade eine neue Strategie gegen das Ungeziefer ausdenken.
Nach langem Überlegen war schliesslich mein Schlachtplan bereit: Vier Tuben vollfette Mayonnaise, zwei Flaschen billigen Essig, drei rosafarbene Badehauben und der oben genannte Lauskamm. Zwei von drei sich kratzenden Söhnen ergriffen beim Anblick meiner Ausrüstung erst einmal die Flucht und entschieden sich im zweiten Anlauf dafür, sich lieber einen Millimeterschnitt verpassen zu lassen, als sich den Kopf mit Mayonnaise vollschmieren zu lassen. Der Jüngste aber, der fest überzeugt ist, die schönste Mähne weit und breit zu haben, liess das Leiden bereitwillig über sich ergehen, um seine Schönheit zu erhalten.
Also griff ich an einem Freitagabend zur Mayonnaise, drückte sie - mit einer gewissen Befriedigung, die vermutlich in irgend einem kranken Zusammenhang mit ganz vielen vollgespuckten Blusen und vollen Windeln steht - , über dem Kopf meines Jüngsten aus und zog dem Jungen eine Badehaube über. Am nächsten Morgen, als ich ihn in die Badewanne steckte, bot sich ein Bild des Grauens: Alle die Läuse, die die sich noch schiefgelacht hatten, als ich mit dem Lausmittel anmarschiert war, schwammen jetzt dick und vollgesogen aber immerhin mausetot im Badewasser. Nach einer halben Stunde Auskämmen mit Essig waren auch ziemlich viele Nissen entfernt.
Aber natürlich nicht alle, so dass mein Sohn und ich in den kommenden Tagen viele viele Stunden miteinander im Badezimmer sassen und uns darüber unterhielten, warum Läuse so fies sind, sich auf Kinderköpfen niederzulassen, während ich die Nissen mit Essig auskämmte. Das Kind roch tagelang wie eine Schüssel Kopfsalat, irgendwann brachen die Zacken des Lauskamms und nach ein paar Tagen erfrechten sich gar ein paar Läuse, aus den verbliebenen Nissen zu schlüpfen, doch nach einer erneuten Mayonnaise-Essig-Kur war der Jüngste ebenso lausfrei, wie seine Brüder nach der Kopfrasur.
So blieb das dann ein paar Wochen lang, dann begann sich der Jüngste erneut zu kratzen. Vermutlich, weil es ein paar Kinder im Kindergarten hat, deren Mütter ihrem Nachwuchs nicht mit krankhaftem Vergnügen Mayonnaise aufs Haupt drücken.