Solche Dinge vergisst man nie, oder?
„Weisst du, ob die Windeln hier oder bei der Konkurrenz günstiger sind?“, fragte mich neulich ein befreundetet Vater, als wir uns beim Grosseinkauf trafen. Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Windeln? War da mal was?
Ach ja, das sind die Dinger, die man früher kistenweise anschleppte. Ewig stand man vor dem Regal, um auszurechnen, ob das Super-Mega-Sparpack tatsächlich günstiger war als das No-Name-Produkt. Stundenlang konnte man mit anderen Eltern darüber diskutieren, welche Marke über Nacht dichthält und ob man es verantworten könne, hin und wieder mal ein paar Packungen ennet der Grenze zu kaufen, um das Familienbudget zu schonen. Während Jahren waren die Windeln eines der dominierenden Themen und jetzt, knapp ein Jahr nachdem auch unser Jüngster trocken ist, konnte ich nicht mal mehr mit Tipps für den befreundeten Vater aufwarten.
Ich bin natürlich froh, dass das Thema Windeln für uns abgehakt ist, ich war aber auch leicht schockiert darüber, wie schnell man vergisst, wenn ein Entwicklungsschritt abgeschlossen ist. Wenn das Vergessen so schnell geht, wie gross ist dann noch der Schritt vom Vergessen hin zum Unverständnis für die Sorgen anderer Eltern?
Ich habe mir damals fest vorgenommen, nie zu vergessen, dass die Kleinkindphase nicht nur ihre schönen Seiten hatte. Und doch ertappe ich mich heute manchmal dabei, wie ich voller Sentimentalität an die „guten alten Zeiten“ zurückdenke. Ich weiss zwar noch, dass ich mal nachts vor lauter Frust eine Schoppenflasche gegen die Wand schmiss, weil das Kindchen nicht schlafen wollte; ich erinnere mich dran, dass mein Mann sich jeweils wunderte, dass ich immer so genervt war, wenn er von der Arbeit anrief, um zu fragen, wie es mit den lieben Kleinen denn laufe; ich sehe auch noch das Bild der überquellenden Windel auf der Terrasse eines Bergrestaurants vor mir.
Die Erinnerungen sind noch da, die Gefühle der Ohnmacht und der Überforderung, die mich zuweilen überwältigten, sind aber längst verflogen und darum laufe ich Gefahr, die Vergangenheit durch die rosarote Brille zu betrachten. Und diese Entwicklung macht mir Angst! Haben wir denn keine andere Wahl, als irgendwann zu einer jener besserwisserischen Alten zu werden, die im Bus behaupten, ihre Kinder hätten höchst selten gequengelt und überhaupt gar nie getrotzt und getreten?
Ich hoffe sehr, dass es eine Sache des Charakters ist, ob man sich in die Angelegenheiten anderer einmischt oder nicht. Ich könnte es nämlich nicht ertragen, eines Tages genau so zu sein, wie ich nie hatte werden wollen. Es ist schon peinlich genug, dass ich, die Fünffachmutter, nicht mehr weiss, wo die Windeln am günstigsten sind. Wobei ich mich zu erinnern glaube, dass mir Ökologie in dieser Frage wichtiger war als der Preis...