Wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt irgendwo eine Hebamme her
In der Geburtsvorbereitung habe ich gelernt, dass es meine wichtigste Aufgabe sei, tief und ruhig zu atmen. Durch die Nase ein und lange durch den Mund aus - so soll ich in die Wehenschmerzen hinein atmen. Okay, let‘s try!
Ihr kennt mich nun ein wenig und wisst, dass ich beim Annehmen von Gefühlen all-in gehe. Kinderwunsch-Struggle, Gefühlschaos und Schwangerschaftsbeschwerden aller Art haben wir zusammen durch und ich habe stets versucht, entspannt zu bleiben. Nun liege ich hier in diesem Gebärsaal und die Hebamme meint, ich solle den Schmerz zulassen. Beim besten Willen, gute Frau, diese Schmerzen sind der Endgegner. Annehmen? Locker lassen? Sonst noch Wünsche?
Ich schliesse meine Augen, gerade ist alles zu viel. Da fällt mir meine wichtigste Aufgabe wieder ein: Atmen! Ich atme ein. Es schmerzt, es zieht, es brennt. Ich atme aus. Ich atme wieder ein, sie streichelt, sie massiert und sie hält. Ich atme lange aus und sie atmet länger mit. Sie stützt mich und sie organisiert, sie weist mich an und weiss Bescheid. Die Hebamme steuert das Schiff und ich blase immer weiter Wind in die Segel. Die Schmerzen werden nicht zum Freund, aber ich atme. Ein und aus. Immer weiter.
Und dann, irgendwann, gebäre ich unser Baby. Ich seufze laut. Meine Hebamme schaut mir lächelnd in die Augen und meint: „Das hast du supergut gemacht!“. „Hat sich gar nicht so gut angefühlt“, erwidere ich erschöpft. „Deine wichtigste Aufgabe war das Atmen“, erinnert sie mich, „und die hast du absolut grandios gemeistert“.
Leute, wenn auch ihr bisher dachtet, ich würde herausfordernden Situationen wirklich souverän händeln, dann wartet, bis ihr Hebammen während einer Geburt erlebt habt. Vertraut diesen Heldinnen und Helden. Sie wissen, was sie tun. Und atmen, Ladies! Atmen nicht vergessen.
Die Kolumnistin
Giulietta Martin ist Hebamme, Mama von drei kleinen Kindern und lebt im Berner Oberland. Unter mama.kritzelei veröffentlicht sie auf Instagram regelmässig humorvolle Szenen aus dem Familienalltag.