Welche Honigsorte darf's denn sein?
Keine Frage, dieses Jahr werden sie uns mal wieder Honig um den Mund schmieren, das Blaue vom Himmel versprechen und uns, die wir Tag für Tag mit unseren Kindern durchs Leben gehen, über allen grünen Klee rühmen.
"Familien liegen uns am Herzen, sie sind das Fundament unserer Gesellschaft, die Kinder sind unsere Zukunft", das werden wir im neuen Jahr bis zum Abwinken zu hören bekommen.
"Wenn ihr uns eure Stimme gebt, bezahlt ihr weniger Steuern. Dann bleibt euch mehr Geld für das, was eure Kinder wirklich brauchen", wird es aus der einen Ecke tönen.
"Wählt uns, dann geht nicht mehr das ganze Zweitaufkommen für die Krippe drauf", schallt es aus der entgegengesetzten Richtung.
"Hört nicht auf die! Nur wir kümmern uns wirklich um die Anliegen der Familien", werden diejenigen in der Mitte warnen.
"Es darf nicht sein, dass gut ausgebildete Frauen aus dem Arbeitsprozess ausscheiden. Darum setzen wir uns für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein", wird man in wirtschaftsnahen Kreisen immer und immer wieder betonen.
"Auch Väter wollen Zeit mit ihren Kindern verbringen. Wir machen uns stark für einen Vaterschaftsurlaub, der diesen Namen auch verdient", wird man auf Podien und in Diskussionssendungen sagen.
"Wir müssen vom antiquierten Bild der Kernfamilie mit Vater, Mutter und Kind wegkommen. Eine neue Definition muss her, die alle heutzutage gelebten Familienformen gleichermassen berücksichtigt", wird auch so ein Satz sein, der hin und wieder fällt.
"Schluss mit diesen unsinnigen Bildungsreformen, die den Eltern ihre Kinder entreissen", wird mit Sicherheit der eine oder andere donnern.
"Kinder zu haben soll keine Frage des Geldes sein. Es darf nicht sein, dass in der reichen Schweiz Kinder in Armut aufwachsen müssen", wird sich immer mal wieder jemand ereifern.
Sie werden kämpfen um unsere Stimmen, das steht zu Beginn dieses Wahljahrs bereits fest. Sie werden uns Hochglanzprospekte mit Bildern von glücklichen Familien ins Haus schicken, werden überzeugende Argumente bringen, nette kleine Werbeartikel verteilen und unseren Kindern in den Fussgängerzonen bunte Luftballons ums Handgelenk binden. Sie werden alles tun, um unsere Aufmerksamkeit zu bekommen.
Ob dann, wenn alle Stimmen ausgezählt und die Sitze verteilt sind, auch wirklich die eine oder andere Sache besser wird, wissen wir nicht. Wir können es nur hoffen. Zu verbessern gäbe es einiges, darin sind wir Mütter und Väter uns wohl einig. Nur leider sind wir uns nicht einig, wie es besser werden könnte. Darum raufen wir uns auch nicht zusammen um klipp und klar eine anständige Politik für alle Familien zu fordern, sondern werden im Herbst einfach jene wählen, die uns unseren Lieblingshonig um den Mund geschmiert haben.