Klischees, soweit das Auge reicht

blaue und rosa Muffins
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Damit das zum Vornherein klar ist: Ich mag rosa. Sehr sogar. Aber auch mir wird übel, wenn ich in diesen Tagen in der Spielwarenabteilung vor einer rosaroten Wand stehe. Auch ich könnte laut schreien wenn ich sehe, was Mädchen gefälligst auf ihren Wunschzettel kleben sollen: Puppen, Prinzessinnen, Glitzerzeugs, Küchen, Frisiersets, Schminkkoffer, vielleicht noch ein flauschiges rosarotes Plüschtier, wie es die Natur noch nie gesehen hat. Und wenn ich bedenke, was die meiner halbwüchsigen Tochter schmackhaft machen wollen - Magermodels mit riesigen Augen, noch grösseren Brüsten, tonnenweise Make-up und dem Berufwunsch "Superstar -, dann frage ich mich, ob die Sache mit dem Feminismus nur ein Traum war. Wahrlich nicht sehr erbauend, was man unseren Töchtern als erstrebenswert präsentiert. Ich bin von Herzen froh, dass meine Tochter dankend ablehnt und sich statt dessen neue Möbel oder vielleicht ein Wochenende mit Mama wünscht.

Zum Glück bin ich bei Weitem nicht die Einzige, die mit dem ganzen Kram ihre liebe Mühe hat. Inzwischen gibt es Kampagnen, die sich den Kampf gegen die rosarote Mädchen-Glitzerwelt auf die Fahnen geschrieben haben. Als Mutter einer Tochter finde ich das toll. Als Mutter, die Jahr für Jahr die Weihnachtswünsche von vier Söhnen zu erfüllen hat, weiss ich aber auch, dass es bei den Jungs nicht viel besser aussieht. Okay, mit Dunkelblau, Schlammgrün und Schwarz ist das Spektrum an "Nicht-wirklich-Farben" etwas grösser und die Vorbilder dürfen selbstbewusster daherkommen, aber viel mehr als Einheitsbrei und starre Rollenmuster gibt es auch für unsere männlichen Nachkommen nicht. Zur Auswahl stehen Baustellen, Monster, Ritter, Kriegsspielzeug, Fussball und Fahrzeuge, in der Kleiderabteilung gibt's die oben genannten "Farben", verunstaltet mit ausnehmend hässlichen Aufdrucken. Der Junge, der sich Fröhliches wünscht, steht genauso auf verlorenem Posten wie das Mädchen, das gerne etwas Herausforderndes hätte. 

Gut, manche Menschen behaupten, es seien wir Eltern, die im Laden die Mädchen in die rosa Ecke und die Jungs zum Kriegsspielzeug steuerten. Wir müssten unseren Kindern nur die freie Wahl lassen, dann würden sich die Geschlechterklischees von selbst erledigen. Wären die Väter nicht so engstirnig, würden Jungen das rosa Zeugs nicht meiden und wären die Mütter nicht einen Weiblichkeitswahn verfallen, hätten die Mädchen mehr Interesse an Technischem. Andere wieder geben den Müttern Schuld, wenn der Sohn kein Geblümtes mag und den Vätern, wenn die Tochter mit Fußball nichts anzufangen weiss. Und wehe, wir Eltern glauben nicht auf Anhieb, dass wir für die Klischees im Spielzeugregal ganz alleine verantwortlich sind. Dann hauen sie uns eine Studie nach der anderen um die Ohren, um uns unsere Schuld vor Augen zu führen. 

Pflichtbewusst, wie wir Eltern nun mal sind, bemühen wir uns nach der Lektüre dieser Studien nach Kräften darum, unseren Söhnen das Rosarote schmackhaft zu machen und unseren Töchtern Monster aufzuschwatzen und wenn unsere Kinder auf stur schalten, zerbrechen wir uns die Köpfe, was wir besser machen könnten, um die Klischees zu durchbrechen.

Die Spielzeugindustrie arbeitet derweilen munter weiter daran, unsere Mädchen in einem rosaroten Prinzessinnenschloss einzumauern und unseren Jungen weis zu machen, wahre Männer müssten andauernd in finsterer Montur gegen Ungeheuer in den Kampf ziehen. 

Letzte Aktualisierung: 04.07.2016, TV