Psychische Gesundheit - was bedeutet das?
Gesundheit ist ein Zustand, der mehr umfasst als die blosse Abwesenheit von körperlicher Krankheit und Gebrechen. Ebenso zentral ist das geistige und soziale Wohlergehen und somit die psychische Gesundheit. Doch was versteht man unter dem Begriff eigentlich? Welche Faktoren haben einen Einfluss darauf, wie gesund wird sind? Und warum gelingt es nicht immer gleich gut, Krisen zu meistern?
Was versteht man unter psychischer Gesundheit?
Wenn von psychischer Gesundheit die Rede ist, ist damit nicht einfach das Gegenteil von psychischer Krankheit gemeint. Gemäss Definition der WHO handelt es sich dabei um einen "Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft leisten kann." Vereinfacht gesagt könnte man sagen, psychisch gesund zu sein bedeutet, dass jemand in der Lage ist, das Leben zu meistern und aktiv zu gestalten.
Welche Faktoren haben einen Einfluss auf die psychische Gesundheit?
Ob dieser Zustand des Wohlbefindens erlebt wird, hängt von inneren und äusseren Faktoren ab, die in einem engen Zusammenhang stehen und die sich positiv oder negativ auswirken können. Es gibt sowohl Schutzfaktoren, die bei der Bewältigung einer Krise eine schützende Wirkung ausüben, als auch Risikofaktoren, die einen schädigenden Einfluss haben können.
Individuelle Faktoren
Zum einen spielen individuelle Faktoren wie die genetischen und biologischen Eigenschaften einer Person eine wichtige Rolle. Auch emotionale, soziale und kognitive Fähigkeiten, die jemand mitbringt, haben einen Einfluss.
Individuelle Schutzfaktoren | Individuelle Risikofaktoren |
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Stabiles Selbstwetgefühl | Geringes Selbstbewusstsein |
Flexibilität | Unrealistische Ansprüche an sich selber |
Sinn für Humor | Gesundheitliche Probleme |
Gesunder Lebensstil | Andauernder Schlafmangel |
Fähigkeit, etwas zu geniessen | Suchtgefährdung |
Optimismus | Mühe im Umgang mit Stress und negativen Emotionen |
Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit | Mühe im Umgang mit Konflikten |
Kreativität | Mangel an Gestaltungsmöglichkeiten |
Soziale Faktoren
Wichtig sind aber auch soziale Faktoren, also beispielsweise die Lebensumstände, in denen jemand lebt, das soziale Netz, auf das man zählen kann, die Beziehungen, die man pflegt und ganz allgemein die Möglichkeiten, die man hat, das Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten.
Soziale Schutzfaktoren | Soziale Risikofaktoren |
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Intakte Paarbeziehung | Konfliktbelastete Paarbeziehung |
Tragfähiges Netz für Notfälle | Einsamkeit und Isolation |
Integration in eine Gemeinschaft | Fehlende Möglichkeit, sich in eine Gemeinschaft zu integrieren |
Gute Beziehungen zu Familie und Freunden | Fehlender Kontakt zu Gleichgesinnten |
Lebendige, tolerante Nachbarschaft | Feindseliges Klima im Wohnquartier |
Niederschwellige Beratungsangebote | Erwartungsdruck vonseiten anderer |
Umweltfaktoren
Die Umwelt ist ein weiterer entscheidender Einflussfaktor. Dabei handelt es sich um die Umgebung, in der jemand lebt und die beispielsweise vorgibt, welche Hilfsangebote im Falle einer Krise zur Verfügung stehen. Im weiteren Sinne zählen dazu auch das Gesundheitssystem oder die Wirtschafts- und Sozialpolitik eines Landes.
Diese Rahmenbedingungen haben einen erheblichen Einfluss darauf, ob jemand eine Situation ganz aus eigener Kraft meistern muss oder auf Angebote zurückgreifen kann, die Entlastung bieten. Wie gut es um die psychische Gesundheit der oder des Einzelnen steht, hängt also auch stark von gesellschaftlichen Umständen ab. Alle Ermahnungen zur Achtsamkeit helfen wenig, wenn die äusseren Bedingungen so ganz und gar nicht stimmen.
Schützende Umweltfaktoren | Schädliche Umweltfaktoren |
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Gesicherte finanzielle Verhältnisse | Finanzielle Sorgen |
Gute Auswahl an Ausbildungsplätzen | Mangel an Arbeitsplätzen |
Gute Bildungsangebote vor Ort | Mangelnde Alternativen bei schlechtem Bildungsangebot |
Zugang zu guter Gesundheitsversorgung | Unflexible Rahmenbedingungen |
Attraktive Naherholungsgebiete | Grosses Verkehrsaufkommen und Lärmbelastung |
Bezahlbare Betreuungsangebote | Fehlende Kinderbetreuung |
Wann ist die psychische Gesundheit gefährdet?
Es gibt im Leben immer wieder Zeiten, in denen das oben beschriebene Wohlbefinden leidet. Manchmal reichen dazu schon alltägliche Herausforderungen wie zum Beispiel ein Wohnortwechsel oder eine Erziehungsfrage, die einen immer und immer wieder an die Grenzen bringt. Im Zusammenhang mit schwierigen Lebensereignissen wie einer Trennung oder dem Verlust einer nahestehenden Person ist dies natürlich erst recht der Fall.
In Übergangsphasen, wenn wir Altbekanntes hinter uns lassen und neues in Angriff nehmen, steigt das Risiko ebenfalls, dass die psychische Gesundheit leidet. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Kinder zu Jugendlichen werden, sich mehr und mehr von den Eltern ablösen und ins Arbeitsleben eintreten. Auch die Geburt eines Kindes oder die Pensionierung zählen zu diesen Übergangsphasen.
Dass die psychische Gesundheit in solchen Phasen vorübergehend aus dem Gleichgewicht gerät, ist vollkommen normal und nicht grundsätzlich besorgniserregend. Die oben genannten Schutzfaktoren helfen, Krisen zu bewältigen, sodass das psychische Wohlbefinden keinen dauerhaften Schaden nimmt. Es ist daher durchaus möglich, dass jemand die Herausforderungen des Alltags bewältigen kann und insgesamt ganz zufrieden ist, obschon im Leben gerade ziemlich viel drunter und drüber geht.
Schwieriger wird es, wenn die Risikofaktoren überwiegen, sodass die Bewältigung der Krise erschwert wird. Dies kann dazu führen, dass die betroffene Person über längere Zeit einen starken Leidensdruck empfindet und sowohl in ihrem Erleben und ihren Gefühlen als auch in ihrem Verhalten beeinträchtigt ist. Davon sind meist mehrere Lebensbereiche sowie die Beziehungen zu den Mitmenschen betroffen; die Lebensqualität ist insgesamt stark vermindert. Aus dem anfänglichen Ungleichgewicht, das durch eine Krise hervorgerufen wurde, kann sich also eine psychische Störung entwickeln, aus der die meisten Betroffenen nicht ohne professionelle Hilfe herausfinden. Beispiele für solche Störungen sind Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen und Psychosen.
Innere und äussere Faktoren - ein Beispiel
Ein Paar hat sich rundum gut auf die Ankunft ihres Babys vorbereitet: einen Geburtsvorbereitungskurs besucht, alles Nötige im Voraus besorgt, sich von beruflichen und privaten Verpflichtungen befreit, um gar nichts anderes zu müssen, als sich gemeinsam um das kleine Menschlein zu kümmern und füreinander da zu sein. Perfekte Bedingungen also - doch wie gut sie mit der neuen Situation zurechtkommen, hängt nicht von ihnen alleine ab.
Leben die frischgebackenen Eltern in einem familienfreundlichen Quartier, wo man sich gegenseitig unter die Arme greift und tolerant ist, wenn ein Neugeborenes mal länger schreit, können sie die Herausforderungen der ersten Wochen leichter annehmen. Der Kontakt zu anderen Familien im Quartier, der gut gewartete Spielplatz direkt vor der Haustüre, die bezahlbare Krippe in der Wohngemeinde und die guten ÖV-Verbindungen zum Arbeitsort tragen dazu bei, dass die Familie sich insgesamt gut aufgehoben fühlt.
Ganz anders sieht es aus, wenn die Eltern auf lärmempfindliche Nachbarn Rücksicht nehmen müssen und dauernd Reklamationen bekommen, weil der Kinderwagen angeblich im Weg steht. Ein Arbeitgeber, der sich plötzlich gegen die vereinbarte Pensumsreduktion stellt, die daraus folgenden finanziellen Probleme und die harzige Stellensuche tun ihr Übriges, um der Familie einen schwierigen Start zu bescheren. Die äusseren Belastungen sind so gross, dass die Situation den Eltern trotz ihrer positiven Einstellung über den Kopf wächst.