Postpartale Depression
Ursachen, Symptome und Therapiemöglichkeiten einer Wochebettdepression
Die Vorfreude auf das Baby war gross - und jetzt, wo es endlich da ist, überwiegen plötzlich Traurigkeit, Ängste und Antriebslosigkeit. Ist das noch der ganz normale Babyblues oder entwickelt sich da vielleicht eine postpartale Depression? Rund 15 % der Mütter erkranken nach der Geburt daran. Bis zur Diagnosestellung haben sie oft einen langen Leidensweg voller Schuldgefühle und Versagensängste hinter sich. Lesen Sie, welche Symptome auf eine Erkrankung hindeuten, welche Ursachen ihr zugrunde liegen und welche Therapiemöglichkeiten es gibt.
- Babyblues oder Depression?
- Welche Symptome treten bei einer postpartalen Depression auf?
- Wodurch wird eine postpartale Depression verursacht?
- Verdacht auf postpartale Depression - was tun?
- Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
- Was lässt sich ergänzend zur Therapie tun?
- Wird nach der Depression alles wieder wie früher?
- Erneut schwanger werden nach einer postpartalen Depression - geht das?
- Aus der Forschung
Babyblues oder Depression?
Vor ein paar Tagen haben Sie voller Freude Ihr Baby zum ersten Mal in den Armen gehalten, vor lauter Glück hätten Sie die ganze Welt umarmen können und jetzt fliessen auf einmal bei jeder erdenklichen Gelegenheit die Tränen. Viele Mütter kennen diesen Babyblues, der sich meist um den dritten bis fünften Tag nach der Geburt bemerkbar macht. Auch Erschöpfung, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit können in dieser Zeit auftreten. Ausgelöst wird das Stimmungstief einerseits durch die abrupte Hormonumstellung im Zusammenhang mit der Geburt und dem Einsetzen der Milchbildung. Andererseits wird vielen Müttern nach der Euphorie der ersten Tage bewusst, wie tiefgreifend die Ankunft des Babys ihr Leben verändert. Dies kann zu vermehrten Sorgen, Ängstlichkeit und Unruhe führen.
Es ist zwar äusserst unangenehm, wenn Sie beim geringsten Anlass weinen müssen oder wegen Kleinigkeiten die Nerven verlieren, ein Grund zur Sorge besteht jedoch nicht. So schnell und plötzlich wie der Babyblues gekommen ist, so schnell und plötzlich verschwindet er wieder. Bei manchen Müttern dauert er nur wenige Stunden an, bei anderen zwei bis drei Tage.
Bestehen die Symptome jedoch länger als eine Woche oder kommen weitere hinzu, kann dies ein Hinweis auf eine beginnende postpartale Depression sein. Sprechen Sie unbedingt mit Ihrer Hebamme oder Ihrer Gynäkologin darüber, damit eine fundierte Abklärung in die Wege geleitet werden kann. Nicht immer liegt den Symptomen eine Depression zugrunde. Auch ein Eisenmangel, eine Schilddrüsenstörung oder eine Autoimmunerkrankung können der Auslöser sein. Diese können nach einer Geburt zum ersten Mal auftreten.
Welche Symptome treten bei einer postpartalen Depression auf?
Die Anzeichen, die auf eine postpartale Depression hinweisen, sind oft nur schwer zu erkennen - sowohl für die betroffene Mutter als auch für die Menschen in ihrem Umfeld. Dies liegt zum einen daran, dass die Symptome nicht plötzlich auftreten, sondern sich schleichend entwickeln. Wohl jede Mutter kennt Tage, an denen nichts ist, wie es sein sollte, an denen sie zu nichts Lust hat und bei jeder Kleinigkeit an die Decke geht. Wenn diese Tage überhandnehmen und die Freude sich allmählich aus dem Staub macht, ist dies oft gar nicht so einfach zu erkennen.
Zum anderen bemühen sich viele Frauen darum, sich nach aussen hin möglichst nichts anmerken zu lassen. Eine frischgebackene Mama muss doch einfach glücklich sein, erst recht, wenn das Baby ein sehnlichst erwartetes Wunschkind ist. Sich selbst und anderen gegenüber einzugestehen, wie sehr stattdessen Traurigkeit, Sorgen und Ängste überwiegen, fällt daher schwer.
Es gibt eine Vielfalt von Symptomen, die bei einer postpartalen Depression auftreten können:
Stimmungsschwankungen
Traurigkeit, häufiges Weinen
Erschöpfung, sowohl geistig als auch körperlich
Appetitlosigkeit oder übermässig verstärkter Appetit
Antriebslosigkeit, Teilnahmslosigkeit, grosse Schwierigkeiten, sich aufzuraffen
Vernachlässigung von eigenen Bedürfnissen, zuweilen auch der Bedürfnisse des Babys
Reizbarkeit, stetige Unzufriedenheit, Aggressionen und Wutausbrüche
Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme
Grübeln, verlangsamtes Denken
Unsicherheit und Mangel an Selbstvertrauen
Schuld- und Versagensgefühle, Selbstvorwürfe, das Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein
Sozialer Rückzug
Ängste, Panikattacken
Ein- und Durchschlafstörungen, Früherwachen
fehlende oder ablehnende Gefühle dem Kind gegenüber
Sexuelle Unlust
Zwangsgedanken, beispielsweise quälende Gedanken, dem Baby etwas anzutun
Suizidgedanken
Eine postpartale Depression kann auch von körperlichen Symptomen wie Schwindel, Kopfschmerzen, Verdauungsproblemen, Übelkeit und Magenschmerzen, Herzbeschwerden, Verspannungen, Rückenschmerzen etc. begleitet sein.
Postpartal oder postnatal: Gibt es einen Unterschied?
Ob man nun von "Postpartaler Depression", "Postnataler Depression" oder "Wochenbettdepression" spricht - gemeint ist immer dasselbe. Sprachlich besteht aber durchaus ein Unterschied: "Postpartal" beudeutet "nach der Entbindung" und bezieht sich somit auf die Mutter, "postnatal" hingegen bedeutet "nach der Geburt" und bezieht sich aufs Kind. Der medizinisch korrekte Ausdruck ist daher "Postpartale Depression", viele Fachleute verwenden jedoch beide Begriffe. Umgangssprachlich wird die Erkrankung oft auch als "Wochenbettdepression" bezeichnet. Die Krankheit dauert jedoch in vielen Fällen über das Wochenbett hinaus an oder tritt erst zu einem späteren Zeitpunkt auf. Häufig machen sich die Symtome erst mit zunehmender Erschöpfung nach zwei bis drei Monaten bemerkbar.
Wodurch wird eine postpartale Depression verursacht?
Es gibt in der Regel nicht den einen Grund, der eine postpartale Depression auslöst. Meist spielen verschiedene Einflussfaktoren eine Rolle. Kommen viele belastende Faktoren zusammen, entwickelt sich schneller eine Depression und oftmals ist diese auch tiefer.
Körperliche Ursachen
Grosser Schlafmangel, der Erschöpfung, Reizbarkeit und in schweren Fällen auch Verwirrung und Ängste nach sich zieht.
Probleme, körperliche Veränderungen durch Schwangerschaft und Geburt anzunehmen, insbesondere, wenn sie bleibende Spuren wie Übergewicht und Schwangerschaftsstreifen hinterlassen
Vitamin- und Nährstoffmangel, unregelmässige oder unausgewogene Ernährung
Inwiefern die hormonellen Veränderungen während Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit einen Einfluss auf die psychische Gesundheit haben, ist nicht abschliessend erforscht. Viele Fachleute gehen jedoch davon aus, dass ein Zusammenhang besteht. Schliesslich spielt auch die genetische Veranlagung eine Rolle. Bei Frauen, die bereits früher an einer psychischen Erkrankung erkrankt waren oder die während der Schwangerschaft eine depressive Episode erlitten haben, besteht ein erhöhtes Risiko für eine postpartale Depression. Dasselbe gilt für Frauen, in deren Verwandtschaft solche Krankheiten aufgetreten sind.
Psychische Ursachen
Mutter zu werden bedeutet eine tiefgreifende Veränderung im Leben. Diese kann eine Identitätskrise auslösen - auch dann, wenn das Baby ein Wunschkind ist. So fühlt sich vielleicht eine Frau auf einmal auf die Mutterrolle reduziert, Fähigkeiten und Interessen, die vor der Geburt von Bedeutung waren, werden von niemandem mehr wahrgenommen und geschätzt. Hinzu können weitere Aspekte kommen, beispielsweise:
Schwierigkeiten, ein neues Miteinander zu finden mit dem Partner, den eigenen Eltern, den Schwiegereltern, dem Freundeskreis und insbesondere mit kinderlosen Freundinnen und Freunden
Trauer über den Verlust des "alten Lebens", z. B. der Verlust von Selbstbestimmtheit oder das Loslassen von Vorstellungen, wie es sein wird, Mutter zu sein
hohe Erwartungen an sich selbst und der Anspruch, alles perfekt zu machen und kontrollieren zu können
Schuldgefühle, wenn es nicht gelingt, dem eigenen Anspruch oder den Ansprüchen anderer gerecht zu werden
Vernachlässigung eigener Bedürfnisse, um einer idealisierten Vorstellung von Mutterschaft gerecht zu werden
belastende Erfahrungen aus der Vergangenheit wie z. B. Missbrauch, Verlust eines geliebten Menschen oder Spannungen mit der Herkunftsfamilie, die auf einmal wieder sehr präsent sind
Ursachen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt
Komplikationen in der Schwangerschaft, begleitet von Ängsten und Sorgen um das Kind
unerwünschte Schwangerschaft
ein während langer Zeit unerfüllter Kinderwunsch
Schwangerschaftsdepression
traumatische Erlebnisse unter der Geburt
Gefühle von Schuld und Versagen, weil die Geburt ganz anders war als erwünscht
Auch diverse Probleme im Wochenbett können zu einer Depression beitragen, so zum Beispiel, wenn das Baby sehr viel schreit, wenn das Stillen Schwierigkeiten bereitet oder wenn Sie früher als erwünscht abstillen müssen.
Ursachen im persönlichen Umfeld und im neuen Alltag
Ein Kind stellt das Leben der Eltern auf den Kopf. Meist tritt mindestens ein Elternteil beruflich kürzer, die Aufgaben im Haushalt müssen neu verteilt werden, für lange Gespräche und Sex bleibt wenig Zeit - und dann ist da noch eine kleine Persönlichkeit, die ihren Platz in der Familie einnimmt. All diese Veränderungen können die Partnerschaft auf die Probe stellen und zu Spannungen führen. Für viele Mütter kommen weitere Herausforderungen hinzu:
Einsamkeit und Überforderung
fehlende Unterstützung durch den Partner oder andere nahestehende Menschen
fehlender Austausch mit Müttern, die in einer ähnlichen Lage sind
Verlust von persönlicher Freizeit, Kontakten am Arbeitsplatz, Hobbys etc.
belastende Umstände wie z. B. finanzielle Sorgen, beengte Wohnverhältnisse, chronische Krankheiten, gesundheitliche Probleme des Babys, fehlendes soziales Netz etc.
Gesellschaftliche Ursachen
Die Anforderungen, die an Mütter gestellt werden, sind enorm: Bereits kurze Zeit nach der Geburt sollen sie den Alltag alleine meistern, nach wenigen Monaten steht die Rückkehr in den Beruf an, in vielen Familien bleibt ein Grossteil der Hausarbeiten an ihnen hängen und immer wieder werden Aufgaben an sie herangetragen, für die Mütter halt einfach Zeit haben sollten. Alleine schon die Herausforderung, dies alles organisatorisch unter einen Hut zu bringen, ist enorm. Hinzu kommt der Druck, weiterhin gut auszusehen, beruflich vorwärtszukommen und einen perfekten Haushalt vorzuweisen. Dieser Druck kommt nicht immer nur von aussen. Manche Mütter stellen an sich selbst den Anspruch, stets alles im Griff zu behalten und dabei nie laut zu werden. Dies ist natürlich eine Überforderung, erst recht, wenn die Möglichkeiten fehlen, sich regelmässig auszuruhen und eigene Bedürfnisse zu stillen. Der Weg in die Depression ist dann oftmals nicht weit.
Verdacht auf postpartale Depression - was tun?
Wenn Ihnen die oben genannten Symptome bekannt vorkommen und Sie regelmässig damit zu kämpfen haben, ist es wichtig, dies ernst zu nehmen. Erschöpfung und Depression sind nicht nur für Sie selbst belastend, sie beeinflussen auch die Bindung zum Kind. Nicht, weil Sie eine schlechte Mutter wären, sondern weil die Krankheit es Ihnen erschwert, die Signale Ihres Babys zu deuten.
Ein erster Schritt kann das Ausfüllen des EPDS-Fragebogens sein. Die "Edinburgh Postnatal Depressions Skala" umfasst 10 Fragen, mit denen die Stimmungslage der vorangegangenen 7 Tage abgefragt wird. Liegt die Gesamtpunktzahl höher als 10, sollten Sie Kontakt zu einer Fachperson aufnehmen. Zwar kann anhand des Testergebnisses keine postpartale Depression festgestellt werden, es ist jedoch wichtig, genauer hinzuschauen. Liegt die Gesamtpunktzahl tiefer als 10, sollten Sie sich dennoch weiterhin gut beobachten. Sie haben diesen Fragebogen ja ausgefüllt, weil Sie Anlass hatten, sich über Ihren Gesundheitszustand Gedanken zu machen.
Der Verein "Postpartale Depression Schweiz" empfiehlt Müttern, diesen Fragebogen im ersten Jahr nach der Geburt regelmässig (beispielsweise im Abstand von 14 Tagen) auszufüllen, damit Veränderungen in der Stimmungslage frühzeitig erkannt werden. Der Fragebogen kann ganz einfach und anonym online ausgefüllt und ausgewertet werden und ist zudem in verschiedenen Sprachen als Download verfügbar.
Neben dem Testergebnis gibt es noch weitere Anzeichen. So möchten Sie sich vielleicht jeden Morgen am liebsten die Decke über den Kopf ziehen, um den Tag nicht in Angriff nehmen zu müssen. Oder Sie fürchten sich davor, mit dem Baby alleine zu sein. Oder Sie leiden an massiven Schlaf- und Appetitstörungen. Kommt Ihnen das alles nur allzu bekannt vor? Dann ist es wichtig, möglichst bald Hilfe zu suchen. Hier finden Sie eine ausführliche Liste mit weiteren möglichen Anzeichen.
Möglicherweise fällt Ihnen selbst jedoch gar nicht auf, dass sich die Dinge in eine ungute Richtung entwickeln, weil Sie sich schon längst daran gewöhnt haben, keine richtige Freude mehr zu empfinden. Spricht Sie eine Ihnen nahe stehende Person auf Ihre veränderte Stimmungslage an, wehren Sie wohl erst einmal ab. Den Vorschlag, Sie könnten Hilfe brauchen, empfinden Sie als verletzend und übergriffig. Sie können sich jedoch sicher sein: Niemand, der Sie aufrichtig liebt, spricht ein solches Thema leichtfertig an. Hilfe anzunehmen kann im ersten Moment sehr schwer sein - rückblickend werden Sie aber froh sein, es getan zu haben.
Der nächste Schritt ist die Suche nach einer Fachperson. Manchen Frauen fällt es leichter, sich erst einmal an die Hebamme zu wenden, die sie im Wochenbett betreut oder sich Rat zu holen bei der Frauenärztin, die sie in der Schwangerschaft betreut hat. Diese kennen sich aus mit den Anzeichen, die auf eine postpartale Depression hindeuten und sie können Sie an entsprechend ausgebildete Fachpersonen weiterleiten. Auf der Fachleute-Liste des Vereins Postpartale Depression finden Sie Adressen von Fachpersonen aus Ihrer Region. Die Mütter- und Väterberaterin oder Familienberatungsstellen haben ebenfalls Adressen, an die Sie sich wenden können. Lassen Sie sich von Ihrem Partner oder einer anderen nahestehenden Person helfen, wenn es Ihnen schwerfällt, zum Telefon zu greifen. In einer Depression erscheinen alltägliche Handlungen wie Telefonieren oft als unüberwindbare Hürden und es ist einfacher, wenn jemand anders den Erstkontakt herstellt.
Experteninterviews mit:
Prof. Dr. med. Anita Riecher-Rössler
Weiterführende Links:
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Die wichtigste Therapieform bei einer postpartalen Depression ist eine Psychotherapie. Hier gibt es verschiedene Therapieverfahren, z. B. Verhaltenstherapie oder systemische Psychotherapie. Welche davon für Sie die beste ist, hängt einerseits von Ihrer Persönlichkeit ab, andererseits von den Ursachen, die der Erkrankung zugrunde liegen. In der Regel finden die Sitzungen als Einzeltherapie statt, oftmals ist es jedoch ratsam, den Partner oder weitere Familienmitglieder mit einzubeziehen. Ergänzend ist der Besuch einer Gruppentherapie mit anderen betroffenen Frauen möglich.
Bei einer mittelschweren Depression wird die Psychotherapie meist mit einer medikamentösen Therapie mit Antidepressiva ergänzt, bei einer schweren Depression ist dies in jedem Fall angezeigt. Neben Antidepressiva können von Fall zu Fall auch schlafanstossende oder angstlösende Medikamente verschrieben werden.
Der Vorschlag, die Therapie mit Medikamenten zu unterstützen, löst bei vielen Frauen erst einmal Bedenken aus. Zuweilen reden auch nahestehende Menschen der Mutter ein, die Medikamente würden ihr schaden. Damit es überhaupt gelingt, die Ursachen anzugehen, die der Depression zugrunde liegen, ist medikamentöse Unterstützung jedoch oft nötig. Reden Sie mit Ihrer Psychiaterin oder Ihrem Psychiater über Ihre Bedenken. Fragen Sie ganz genau nach, wenn etwas unklar ist oder wenn Sie etwas gehört oder gelesen haben, was Sie verunsichert. Sofern Sie Ihr Baby weiterhin stillen möchten, lassen Sie sich ein Präparat verschreiben, das mit dem Stillen verträglich ist. Wichtig ist zudem eine psychotherapeutische Betreuung über die ganze Dauer der medikamentösen Behandlung. Denn ein vorzeitiges und unbegleitetes Absetzen der Medikamente kann sich negativ auf den Heilungsprozess auswirken.
Bei einer sehr schweren postpartalen Depression ist eine stationäre Behandlung angezeigt. Dies zu akzeptieren, ist für viele betroffene Frauen sehr schwer. Da jedoch die Anzahl von Therapieplätzen für Mütter mit Kindern in der Schweiz beschränkt ist, sollte nicht zu lange zugewartet werden, falls eine stationäre Therapie nötig ist. Kommt es nämlich zu einer notfallmässigen Einweisung, ist es vielfach nicht möglich, das Baby mitzunehmen. Eine solche vorübergehende Trennung vom Kind ist sehr belastend und verstärkt bereits vorhandene Versagens- und Schuldgefühle.
Was lässt sich ergänzend zur Therapie tun?
Soziale Unterstützung und Entlastung sind eine wichtige Ergänzung zur Therapie. Dies ist oft leichter gesagt als getan, denn mit einer Krankschreibung kann eine Mutter zwar von ihren beruflichen Verpflichtungen entbunden werden, nicht aber von der Kinderbetreuung und den Arbeiten im Haushalt. Ihr Partner und andere Ihnen nahestehende Personen sollten Ihnen möglichst viele Arbeiten abnehmen, um Ihnen die nötigen Ruhepausen zu verschaffen. Nicht immer haben Angehörige die Möglichkeit, alle Aufgaben übernehmen, die Sie im Moment nicht wahrnehmen können. In diesem Fall ist die Unterstützung durch die Spitex, die Familienhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes oder eine Haushalthilfe sehr wertvoll.
Ein gesunder Lebensstil trägt viel zur Genesung bei. Genügend Schlaf, regelmässige Ruhepausen, ausgewogene Ernährung und Bewegung an der frischen Luft sollten kein Luxus sein, sondern fester Bestandteil Ihres Alltags. Dies ist allerdings nur möglich, wenn Sie den Freiraum haben, um gut zu sich selbst zu schauen.
Bei einer postnatalen Depression kommen oft weitere Therapieformen unterstützend zum Einsatz, zum Beispiel eine Lichttherapie. Zeigt die Untersuchung des Hormonspiegels eine Über- oder Unterproduktion von gewissen Hormonen, kann auch eine Hormontherapie angezeigt sein. Viele Patientinnen empfinden Entspannungsmethoden, Yoga und alternative Heilmethoden als hilfreich. Sie sind jedoch kein Ersatz für eine Psychotherapie oder eine medikamentöse Therapie.
Machen Sie unbedingt auch Gebrauch von unterstützenden Angeboten wie Stillberatung, Mütter- und Väterberatung, Erziehungsberatung, Elternnotruf etc. Hier bekommen Sie Hilfe in vielen Herausforderungen des neuen Familienalltags. Falls Ihr Baby sehr viel schreit, besprechen Sie mit Ihrer Kinderärztin, ob der Besuch einer Schreibaby-Sprechstunde angezeigt wäre.
Wird nach der Depression alles wieder wie früher?
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Symptome nach Abklingen der Depression wieder ganz verschwinden, ist gross. Dabei gilt: Je früher die Behandlung einsetzt und je fachgerechter diese durchgeführt wird, desto besser lässt sich die Krankheit behandeln. Warten Sie daher auf keinen Fall zu, wenn Sie den Verdacht haben, an einer postpartalen Depression zu leiden. Die Symptome klingen in der Regel nach einigen Monaten ab, in seltenen Fällen kann sich die Genesung auch länger hinziehen.
Wenn Sie von einer postpartalen Depression genesen sind, bleiben möglicherweise Unsicherheiten und Ängste zurück und Sie blicken nicht mehr mit der gleichen Unbeschwertheit auf das Leben wie früher. Es kann einige Zeit dauern, bis Sie Ihr altes Selbstvertrauen wieder gewinnen und vielleicht brauchen Sie dabei auch weiterhin therapeutische Unterstützung. Sie können diese belastende Erfahrung nicht aus Ihrer Lebensgeschichte tilgen, aber Sie können lernen, sie als einen Teil Ihrer persönlichen Entwicklung zu akzeptieren.
Erneut schwanger werden nach einer postpartalen Depression - geht das?
Viele Frauen beschäftigt die Frage, ob die Depression nach einer weiteren Geburt wieder auftreten wird und ob sie zur Sicherheit auf eine erneute Schwangerschaft verzichten sollen. Pauschal lassen sich solche Fragen nicht beantworten, denn jede Situation muss individuell betrachtet werden. In den meisten Fällen spricht jedoch nichts dagegen, nach einer postpartalen Depression wieder schwanger zu werden. Die Krankheitssymptome sollten allerdings vollständig abgeklungen und die Ursachen, die Sie als Auslöser erkannt haben, soweit als möglich behoben sein.
Die Angst, es könnte wieder so weit kommen, beschäftigt Sie aber vermutlich trotzdem. Durch die Bewältigung Ihrer Depression haben Sie jedoch gelernt, auf welche Symptome Sie achten müssen und welche Massnahmen Ihnen geholfen haben, gesund zu werden. Informieren Sie in einer weiteren Schwangerschaft Ihren Frauenarzt und Ihre Hebamme über Ihre postpartale Depression und lassen Sie sich weiterhin durch Ihre Psychiaterin oder Ihren Psychotherapeuten begleiten. So können Sie bereits im Voraus planen, was zu tun ist, falls die Symptome wieder auftreten. Bei Bedarf kann schon in der Schwangerschaft eine medikamentöse Unterstützung aufgegleist werden.
Zuweilen ist eine medikamentöse Behandlung bereits während der Schwangerschaft sinnvoll, damit die werdende Mutter stabil und belastbar bleibt. Dies ist wichtig, weil sich eine unbehandelte Depression negativ auf das sich entwickelnde Kind auswirken kann. Heute steht eine Anzahl von Medikamenten zur Verfügung, die mit vertretbarem Risiko auch in der Schwangerschaft eingesetzt werden können.