Xylit-Kaugummi verhindert Mittelohrentzündung
Aus der Forschung
Mehr als 90% aller Kinder erkranken in ihrer Jugend mindestens einmal an einer Mittelohrentzündung, jedes dritte Kind erwischt es vor seinem sechsten Lebensjahr sogar dreimal. Damit ist diese Krankheit die mit Abstand häufigste in der kinderärztlichen Praxis. Kauen Kinder täglich Kaugummis mit dem Süßstoff Xylit, lässt sich aber jede vierte Mittelohrentzündung vermeiden. Verantwortlich sind die bakterienhemmenden Eigenschaften dieses Süssstoffes, so legen die Ergebnisse aus einer Analyse dreier finnischer Studien nahe.
Xylit, auch Birkenzucker genannt, ist ein in der Natur vorkommender, kalorienverminderter Zuckeraustauschstoff, der als Nebenprodukt bei der Holzverarbeitung (v.a. Buchen und Birken) anfällt, aber auch aus faserreichem Obst und Gemüse gewonnen werden kann. Bislang wird er hauptsächlich zur Herstellung von zuckerfreien Süsswaren und Zahnpflegekaugummis verwendet: Die wichtigsten Karies verursachenden Bakterien können Xylit nicht verdauen, dadurch wird ihr Wachstum beinahe völlig gehemmt.
Neu ist die Erkenntnis, dass der Zuckeraustauschstoff auch hilft, Ohrenentzündungen zu vermeiden. Der Inhaltsstoff erschwert die Anheftung von Bakterien wie Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae an Zellen des Nasen-Rachen-Raums. So können diese Bakterien nicht mehr vom Mund aus durch die Ohrtrompete ins Mittelohr aufsteigen und eine Ohrentzündung auslösen.
Für die wissenschaftliche Studie erhielten insgesamt mehr als 1800 Kinder unter zwölf Jahren entweder Kaugummis, Lutschtabletten, einen Sirup mit dem Süßstoff in einer Tagesdosis von 8 – 10 g oder aber ebensolche Präparate ohne Xylit. 473 dieser Kinder entwickelten im Beobachtungszeitraum von zwei bis drei Monaten eine Mittelohrentzündung. In den Gruppen, die mit Xylitpräparaten „behandelt“ worden waren, traten Entzündungen dabei deutlich seltener auf.
Aber auch zwischen den Xylit-Gruppen gab es noch Unterschiede: Am effektivsten schnitt das Kaugummi ab. Entzündungen kamen im Vergleich zur Placebo-Gruppe (die ein Scheinmedikament erhielt) um 40% seltener vor. Aber auch die Kinder, die Lutschtabletten oder Sirup erhalten hatten, konnten profitieren: Damit konnten Mittelohrentzündungen um immerhin noch 20% reduziert werden. Ein weiteres Ergebnis der Studien ist leider auch: Ist das Kind bereits erkrankt, hilft Xylit-Kaugummi nicht mehr.
Sowohl Kaugummi wie auch Bonbons sind den ganz kleinen Kindern, die am häufigsten unter Mittelohrentzündungen leiden, nur schwer zu verabreichen. In der finnischen Studie wurde ein Xylit-haltiger Sirup gegeben, der in der Schweiz allerdings noch nicht erhältlich ist.
Wer sein Kind mit Xylitbonbons versorgen will, sollte die Hinweise auf der Packung beachten. In zu grosser Menge gegessen, kann der Stoff nämlich Durchfall oder Blähungen verursachen. Kleinkinder unter einem Jahr sollten noch kein Xylit zu sich nehmen.
Aus der Forschung: MMW-Fortschr. Med. Nr. 46 / 2011 (153. Jg.), S. 1; Cochrane Review 2011/11, Epup 9.11.2011