Der lange Weg zum perfekten Weihnachtsfest
Solange man noch keine Kinder hat, ist die Sache mit dem Weihnachtsfest relativ einfach. Eigentlich ist nur zu klären, wann mit welcher Familie gefeiert wird, wer ein Geschenk bekommt und ob man auch noch ein wenig zu zweit feiert. Hat man sich aber erfolgreich fortgepflanzt, wird es ganz schnell einmal ganz schön kompliziert und wehe dem, der auf die vielen Fragen, die sich plötzlich stellen, keine für alle Seiten zufriedenstellende Antworten findet.
Zuerst einmal gilt es, dafür zu sorgen, dass beide Grosselternpaare exakt gleich viele Minuten mit dem Enkelkind verbringen dürfen. Falls dies nicht gelingt, sollte man sich frühzeitig eine gute Ausrede zurechtlegen, um der zu kurz gekommenen Seite der Verwandtschaft erklären zu können, warum das Baby zehn Minuten länger bei der anderen Grossmama war. (Nur für den Fall, dass die Sache irgendwie auskommt.) Natürlich haben auch Gotte und Götti ein genügend grosses Zeitfenster verdient. Manche wagen trotz dieser Verpflichtungen den Versuch, für ihre neu gegründete Familie eine eigene Weihnachtstradition aufzubauen, was allerdings bei gerade mal zweieinhalb gesetzlichen Feiertagen, die auf all die Leute aufzuteilen sind, eine ziemliche Herausforderung darstellt.
Auch das mit den Geschenken ist nicht ganz einfach. Zu viele sollen es nicht sein, denn so ein kleines Kind braucht ja eigentlich noch gar nichts. Schenken will aber jeder etwas und es erfordert viel Fingerspitzengefühl, hier eine Grenze zu ziehen, ohne Gefühle zu verletzen. Sobald das Kind in der Lage ist, seine eigenen Wünsche zu äussern, gilt es ausserdem zu verhindern, dass alle das Gleiche schenken, weil jeder den gleichen Wunschzettel zugesteckt bekommen hat. Jetzt ist übrigens auch der richtige Zeitpunkt, um dem Kind beizubringen, nach Weihnachten nicht herauszuposaunen, wie viel die Auktion eingebracht hat, falls ein Wunsch trotz aller Vorsicht doppelt oder dreifach erfüllt worden ist.
Natürlich sollen die lieben Kleinen nicht nur lernen, zu empfangen und schön brav danke zu sagen, sondern auch von Herzen zu geben. In den ersten Jahren stellt sich da die Frage, wie man Grosseltern, Gotte, Götti und andere wichtige Menschen glücklich macht, solange das Kind noch nicht basteln kann, später dann muss man einen Weg finden, sie glücklich zu machen, obschon es basteln kann.
Kommen wir zu den Glaubensfragen: Erst einmal wird entschieden, ob das Kind seine Geschenke vom Samichlaus, vom Weihnachtsmann oder vom Christkind bekommen soll, was nicht selten zu erbitterten Diskussionen führt, weil Papa früher immer vom Christkind besucht worden ist, Mama aber am Weihnachtsmann festhalten möchte. Ist der Entscheid zugunsten der einen Figur ausgefallen, muss die Verwandtschaft entsprechend instruiert werden, denn es geht natürlich nicht an, dass das arme Kleine komplett verwirrt wird, weil die Grosseltern weiterhin vom Christkind reden, wenn sich die Eltern für den Weihnachtsmann entschieden haben.
Von hier ist es nicht mehr weit bis zur Besinnlichkeit. Viele glauben ja, kleine Kinder und Besinnlichkeit würden einander gegenseitig ausschliessen, aber das muss nicht sein. Man muss bloss herausfinden, ob das Kind eher mitmacht, wenn es sich vor den Weihnachtsliedern auf die Geschenke stürzen darf, oder ob es von den ungeöffneten Päckchen wie hypnotisiert ist und deshalb alles still über sich ergehen lässt.
Zum Schluss sind noch ein paar Sicherheitsfragen zu klären: Tannenbaum kindersicher aufstellen, alle giftigen Weihnachtssterne entsorgen, ein paar Brandschutzmassnahmen, das Kind vor unerwünschten Grosstanten-Küsschen schützen und dergleichen. Manche stellen sich an diesem Punkt noch die verzweifelte Frage, ob sie sich mit ihren Liebsten in eine einsame Berghütte zurückziehen sollen, bis der ganze Spuk wieder vorbei ist, doch kaum jemand zieht sowas durch. Nicht etwa, weil der Mut dazu fehlte, sondern weil es halt doch nichts Schöneres gibt, als ein kleines Kind, das mit grossen, staunenden Augen den hell erleuchteten Tannenbaum bewundert.