Die emotionale Kompetenz fördern
Emotional kompetente Kinder können mit den eigenen Gefühlen umgehen und erkennen, wie sich andere fühlen. Doch wie lernen sie dies?
Wie wunderbar, wenn ein kleines Kind sich mit seinem ganzen Wesen über einen winzigen Käfer freut, der über den Weg krabbelt. Wie anstrengend, wenn es von unbändiger Wut gepackt wird, weil etwas nicht nach seinem Kopf geht. Kleine Kinder erleben Emotionen sehr intensiv, wissen aber noch nicht, was sich da plötzlich so unglaublich gut oder so furchtbar schlecht anfühlt. Ihre emotionale Kompetenz muss sich erst noch entwickeln. Doch was ist damit eigentlich gemeint?
Was ist emotionale Kompetenz?
Definiert wird emotionale Kompetenz oft als die Fähigkeit, mit den eigenen Emotionen und den Emotionen anderer angemessen umzugehen. Für ein Kind bedeutet dies, erst einmal zu lernen, mit seiner Mimik und Gestik auszudrücken, wie es sich fühlt. In einem weiteren Schritt erkennt es, wie sich sein Gegenüber fühlt. Mit zunehmendem Alter lernt es, eigene Emotionen zu benennen und zu beschreiben. Seine Bedürfnisse kann es immer klarer mit Worten mitteilen. Auch die Empathie, also die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen, entwickelt sich allmählich. Je grösser ein Kind wird, umso mehr sollte es schliesslich in der Lage sein, seine Emotionen zu regulieren. Dies zum Beispiel, indem es Wege findet, sich nach grosser Aufregung wieder zu beruhigen oder indem es seinen Ärger nicht mehr durch Wutanfälle ausdrücken muss.
Emotional kompetente Kinder haben es leichter, Freundschaften zu knüpfen und zu pflegen. Weil sie fähig sind, sich in andere einzufühlen, fällt es ihnen leichter, mit anderen zusammenzuarbeiten. Dies kommt ihnen im Schulalltag zugute. In Konfliktsituationen müssen sie nicht mit Gewalt reagieren, weil sie andere Wege haben, mit ihren Gefühlen umzugehen. Ausserdem sind sie weniger gefährdet, ein Suchtverhalten zu entwickeln. Gute Gründe also, das Kind beim Erlangen von emotionaler Kompetenz zu unterstützen.
Wie Eltern ihr Kind unterstützen können
Gehen Sie auf die Bedürfnisse ein, die Ihr Baby signalisiert. Es erfährt so von Anfang an, dass es verstanden und ernst genommen wird. Machen Sie sich keine Sorgen, dass es dadurch verwöhnt wird, denn Sie können ein Baby nicht verwöhnen, indem Sie ihm geben, was es braucht.
Lassen Sie Ihrem Kind Raum und Zeit, seine Emotionen auszuleben. Manchmal muss es sich einfach ausweinen dürfen oder Dampf ablassen. Bieten Sie ihm Nähe an, akzeptieren Sie aber auch, wenn es erst einmal eine Weile allein sein möchte, um mit seinen Gefühlen fertig zu werden.
Erwachsene möchten negative Gefühle wie Wut, Ärger und Traurigkeit oft so schnell als möglich aus der Welt schaffen, damit das Kind wieder glücklich sein kann. Es muss jedoch lernen, seine Emotionen wahrzunehmen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und einen Ausweg aus seiner misslichen Gefühlslage zu finden. Ablenkungen und vorschnelles Trösten nehmen ihm diese Möglichkeit.
Werten Sie die Emotionen Ihres Kindes nicht ab. Aussagen wie "Nun hab' dich doch nicht so!" oder "Vor so etwas hat man doch keine Angst" signalisieren ihm, dass das, was es fühlt, nicht wichtig ist. Auf diese Weise wird es schnell lernen, seine Gefühle nicht mehr zu zeigen.
Kinder fürchten sich nicht grundlos, auch wenn Sie selber nirgendwo eine Gefahr erkennen können. Versuchen Sie zu ergründen, was dem Kind Angst macht und finden Sie mit ihm einen Weg, wie es die Angst besiegen kann.
Das Kind muss nicht lernen, negative Emotionen wie Ärger und Wut zu unterdrücken, sondern sie angemessen zu äussern. Erklären Sie ihm, dass es in Ordnung ist, wenn es wegen einer Sache wütend ist, dass Sie es aber nicht akzeptieren, wenn es deswegen Gegenstände herumwirft und anderen schadet.
Geben Sie Ihrem Kind nach einem Wutanfall Zeit, sich zu beruhigen, ehe Sie mit ihm darüber reden, warum sein Verhalten nicht in Ordnung war. Wenn es von Zorn übermannt ist, kann es nicht aufnehmen, was Sie ihm erklären wollen.
Sprechen Sie mit Ihrem Kind über die Emotionen anderer. Ist der Mann im Bilderbuch glücklich oder traurig? Warum hatte die Grossmama Tränen in den Augen, als es ihr seine schönste Zeichnung geschenkt hat? Warum weint das Spielgruppengspänli jedes Mal, wenn seine Mama geht?
Wenn es zu Streit mit anderen Kindern kommt, stehen Eltern naturgemäss auf der Seite ihres Sprösslings. Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, wie sich das andere Kind wohl gefühlt hat und warum es so gehandelt hat. Auch wenn es Ihnen selber nicht leicht fällt, ist es wichtig, sich in die Lage des anderen Kindes hineinzuversetzen. Es ist nun mal eine Tatsache, dass es zum Streiten sehr oft zwei braucht.
Eltern sind Vorbilder - auch im Umgang mit Emotionen. Freude und Zufriedenheit sollten im Familienleben natürlich vorherrschen, Ihr Kind darf aber auch wissen, wenn Sie traurig oder wütend sind. Kinder spüren, wenn "etwas in der Luft liegt" und es macht ihnen zu schaffen, wenn sie nicht wissen, was los ist. Auch Erwachsene schaffen es nicht immer, mit ihren Emotionen angemessen umzugehen. Erklären Sie Ihrem Kind auf kindergerechte Weise, was Sie so wütend gemacht hat. Haben Sie die Grösse, sich bei ihm zu entschuldigen, wenn Sie ihren Ärger an ihm ausgelassen haben.