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                              Warum Herumtragen Babys beruhigt

                              Aus der Forschung

                              Vater mit Neugeborenem
                              ©
                              iStock

                              Viele Eltern von jungen Babys können ein Lied davon singen: Man legt das Baby hin. Es schreit. Man nimmt es hoch. Es schreit immer noch. Erst beim Herumtragen kehrt Ruhe ein. So haben manche mit dem Säugling auf dem Arm oder im Tragetuch schon Kilometer in der Wohnung zurückgelegt. Warum das wirkt, aber auch warum beim Hinlegen das Gebrüll wieder losgeht, berichten japanische Forscher in der Zeitschrift Current Biology.

                              Sie fanden heraus, dass sowohl menschliche Babys als auch Mäuse-Nachwuchs zutiefst entspannt sind, wenn sie getragen werden. Einmal hochgenommen und durch die Gegend bewegt, beruhigen sie sich und hören auf zu strampeln. „Trageruhe“ nennt man das. Mäusebabys hören auf zu schreien und junge Mäuse stellen Rufe im Ultraschallbereich ein. Kleine Mäuse nehmen zudem eine ähnlich kompakte Haltung ein, wie man sie von jungen Katzen oder Löwen kennt, die von ihren Eltern im Nacken getragen werden. Auch der Herzschlag von Säuglingen und Mäuse-Jungen beruhigt sich sofort, wie die Forscher anhand von EKG-Messungen feststellen konnten. Dies gilt allerdings nur für das Herumtragen, nicht für das alleinige Hochheben.

                              Das alles lässt sich mit Hilfe der Evolutionsbiologie erklären: Die Mutter-Kind-Bindung ist bei allen Säugetieren eine der frühesten und wichtigsten sozialen Beziehungen. Um diese Bindung zu fördern, suchen Säuglinge instinktiv die mütterliche Nähe und protestieren bei einer Trennung, schreiben die Forscher. Sie vermuten, dass die beruhigende Wirkung des Tragens aus fernster Vergangenheit stammt. So erleichtere die Reaktion des Babys für die Mutter die Last des Tragens, wie Studienleiter Dr. Kumi O. Kuroda erklärt. Die Trageruhe ermöglicht auch eine unauffällige Beförderung des Babys aus einer Gefahrensituationen heraus – eine
                              überlebenswichtige Kooperation zwischen Mutter und Kind.

                              Die von Kuroda veranlassten Experimente mit menschlichen Säuglingen zeigen, dass das Tragen in Bewegung den Nachwuchs zuverlässig beruhigt: Der Puls verlangsamt sich, die Bewegungsaktivität nimmt ab und das Kind wird still. Babys können sich innerhalb von drei Sekunden beruhigen, wenn Eltern sie auf den Arm nehmen. Kaum ein Erwachsener hat die Fähigkeit, sich so schnell zu entspannen. Und je jünger die menschlichen Babys sind, desto deutlicher ist der Effekt. Sobald sich aber die Mutter mit dem Kind auf dem Arm hinsetzt, steigt die Herzschlagrate wieder sprunghaft an – ein Zeichen für Stress. Dr. Kuroda räumt übrigens ein, dass nicht nur Mütter diesen besänftigenden Einfluss haben. Erste Versuche deuten darauf hin, dass auch Väter und Grossmütter eine ähnliche Wirkung auf das Baby haben können.

                              Die Erkenntnisse können heutigen Eltern helfen, die Reaktion von Babys besser zu verstehen. Dadurch liessen sich vielleicht Frustrationen vermeiden, die entstehen, wenn schreiende Babys sich nur schwer beruhigen lassen, hoffen die Forscher. Das Schreien eines Säuglings, der wieder hingelegt wird, sei keineswegs ein Versuch des Kindes, seine Eltern zu kontrollieren, also eine Art Machtkampf, sondern eine natürliche Reaktion.

                              Aus der Forschung: Gianluca Esposito et al.: Infant Calming Responses during Maternal Carrying in Humans and Mice; Current Biology, online publiziert am 18.4.2013. doi:10.1016/j.cub.2013.03.041

                              Letzte Aktualisierung: 18.02.2021, BH