Grippeimpfung bei Babys und Kindern
Interview mit PD Dr. med. Boris Utsch
swissmom: Wer sollte sich gegen die Grippe impfen lassen?
Boris Utsch: Die „echte Grippe“ (Influenza) sollte nicht mit einer banalen Virusinfektion verwechselt werden, wogegen die Grippeimpfung keinen Impfschutz bietet. Auch sollte die Schweinegrippe („H1N1“) nicht mit der Influenza gleichgesetzt werden.
Für die Grippeimpfung („Echte“ Grippe, Influenza) gibt es offizielle Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), auf die im Folgenden zum Teil wörtlich verwiesen wird. Für die einzelnen Grippe-Impfstoffe bestehen unterschiedliche Empfehlungen, die für jeden einzelnen Impfstoff im Schweizer Arzneimittel Kompendium nachgeschlagen werden können. Dies sollte aber auch immer mit dem betreuenden Arzt individuell besprochen werden.
PD Dr. med. Boris Utsch, MHBA ist Medizinischer Leiter des Kinderarzthaus Zürich
Die Grippe-Impfung wird für folgenden Personenkreis empfohlen:
Personen ab 65 Jahren
Schwangere Frauen und Frauen, die in den letzten 4 Wochen entbunden haben,
Patientinnen und Patienten in Pflegeheimen und in Einrichtungen für Personen mit chronischen Erkrankungen.
Frühgeborene (geboren vor der 33. Schwangerschaftswoche oder mit einem Geburtsgewicht < 1500 g) ab dem Alter von 6 Monaten für die ersten zwei Winter nach der Geburt
Personen mit einer der folgenden chronischen Erkrankungen: Herzerkrankung, Lungenerkrankung (insbesondere Asthma bronchiale), Stoffwechselstörungen mit Auswirkung auf die Funktion von Herz, Lungen oder Nieren (wie zum Beispiel Zuckerkrankheit „Diabetes“ oder schwere Fettsucht („Adipositas“), Neurologische („Nervenerkrankungen“) oder Erkrankung, die Muskeln und das Skelett betreffend, mit Auswirkung auf die Funktion von Herz, Lungen oder Nieren, Lebererkrankungen, Unzureichende Nierenfunktion („Niereninsuffizienz“), Fehlende Milz („Asplenie“ oder Funktionsstörung der Milz) inklusive gestörte Bildungsstörungen des roten Blutfarbstoffes („Hämoglobinopathien“), Schwächen des Immunsystems („Immundefizienz“ wie zum Beispiel HIV-Infektion, Krebs, immunsystemunterdrückende „immunsuppressive“ Therapie),
Zudem für Personen, welche in der Familie oder im Rahmen ihrer privaten oder beruflichen Tätigkeiten regelmässigen Kontakt haben mit: Personen der vorgenannten Kategorien, Säuglingen unter 6 Monaten (diese haben ein erhöhtes Komplikationsrisiko und können aufgrund ihres jungen Alters nicht geimpft werden).
Die Grippeimpfung ist insbesondere empfohlen für alle Medizinal- und Pflegefachpersonen, alle im paramedizinischen Bereich tätigen Personen, Mitarbeitende von Kinderkrippen, Tagesstätten sowie Alters- und Pflegeheimen, inklusive Studierende sowie Praktikantinnen und Praktikanten. Die Grippeimpfung kann auch für alle Personen in Betracht gezogen werden, die ihr Risiko für eine Grippe aus privaten und/oder beruflichen Gründen vermindern möchten. Vor allem bei Personen, welche beruflich Kontakt mit Schweinebeständen haben, kann die Grippeimpfung das Übertragungsrisiko zwischen Tier und Mensch reduzieren.
swissmom: Wird bei Kindern der gleiche Impfstoff eingesetzt wie bei Erwachsenen?
Boris Utsch: Es gibt Grippe Impfstoffe, die für Erwachsene und Kinder ab 6 Monaten verabreicht werden können. Andere hingegen sind nur für spezielle Altersklassen zugelassen. Unter 6 Monaten sind Grippeimpfstoffe aufgrund fehlender Erfahrungen nicht zugelassen.
Diese sind: Agrippal®, Fluarix®, Infleaxl® und Influvac®. Impfstoffe wie Celture®, Focetria®, Fluad® und Optaflu® sind hingegen für andere Altersklassen bzw. Indikationen zugelassen.
swissmom: Gibt es für Kinder spezielle Risiken oder Nebenwirkungen?
Boris Utsch: Es ist im Allgemeinen für alle Geimpften, auch Erwachsene, zu unterscheiden zwischen lokalen Reaktionen, die in etwa 10-40% der Geimpften auftreten können und wenige Stunden bis 2 Tage anhalten können (leichte lokale Reaktion an der Einstichstelle, Schmerzen, vorübergehende Rötung, lokale Schwellung, Verhärtung und Juckreiz) und leichten systemischen Reaktionen wie Fieber, Unwohlsein, Muskel-, Gelenk- und Kopfschmerzen und anderen grippalen Symptomen, die in etwa 5-10% beobachtet werden können. Diese können bis zu 2 Tagen andauern und bedürfen ebenfalls keiner Therapie. Jede ursächlich auch nur vermutete schwere unerwünschte oder bis anhin unbekannte Wirkung muss dem Schweizerischen Heilmittelinstitut Swissmedic gemeldet werden. Schwere systemische Reaktionen sind sehr selten. Reaktionen allergischer Art und neurologische, das Nervensystem betreffende Symptome oder Krankheitsbilder sind mit unter 1/10.000 sehr selten. Das autoimmun bedingte Guillain-Barré-Syndrom (GBS; etwa ein Fall pro 1 Millionen geimpfte Personen) ist äusserst selten und tritt meist unabhängig von der Grippeimpfung auf und ist wenn, eher mit anderen bakteriellen oder viralen Infekten assoziiert.
Bei Kindern kommt häufiger nach einer Grippeimpfung zu einer Erhöhung der Körperkerntemperatur oder sogar Fieber, wie dies auch bei anderen Impfungen auftreten kann. Sehr selten kann dies auch einmal einen Fieberkrampf auslösen, was aber nicht direkt auf die Impfung, sondern mehr auf den Fieberanstieg zurückzuführen ist. Allerdings ist ein hohes Fieber und ein Fieberkrampf um ein Vielfaches häufiger anzutreffen bei einer echten Influenza-Infektion als nach einer Grippeimpfung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Risiko einer ernsthaften Komplikation inklusive des GBS bei einer Grippeerkrankung um ein vielfaches höher ist als die Wahrscheinlichkeit einer schweren unerwünschten Wirkung nach einer Impfung.
swissmom: Wo kann man Kinder gegen Grippeviren impfen lassen?
Boris Utsch: Ab dem Alter von 6 Monaten bei o.a. Indikationen und ohne Kontraindikation potentiell in jeder Hausarztpraxis für Kinder- und Jugendmedizin.