Säuglingssterblichkeit bei Knaben höher
Aus der Forschung
Für ihre interessante historische Studie wertete das Team um Dr. Eileen Crimmins mit Forschern der Universitäten Pennsylvania und Southern California die Daten aus 15 Industrienationen von 1751 bis 2008 aus. Neugeborene Knaben sind demnach deutlich grösseren Gefahren für ihr Leben ausgesetzt als Mädchen.
Mitte des 18. Jahrhunderts hatten Jungen in hoch entwickelten Industrienationen noch ein 10 Prozent höheres Risiko als Mädchen, bei der Geburt oder in den ersten Lebenswochen zu sterben. Dieser Unterschied verschärfte sich noch bis in das 20. Jahrhundert hinein und erreichte um 1970 einen Höhepunkt von 30 Prozent. Seitdem nähern sich die Raten in der Säuglingssterblichkeit bei beiden Geschlechtern wieder an. Männliche Babys haben immer noch ein 24 Prozent höheres Sterberisiko als weibliche, auch wenn die Säuglingssterblichkeit in den entwickelten Ländern in den vergangenen Jahrzehnten stetig zurückging.
Die Gründe der Säuglingssterblichkeit allgemein veränderten sich über die Jahrhunderte. Waren früher zumeist Infektionskrankheiten für die Todesfälle verantwortlich, drängten sich im 20. Jahrhundert immer mehr angeborene Störungen oder Komplikationen bei der Geburt in den Vordergrund. Dieser Trend wirkte sich positiv für die Mädchen aus: Durch ihre geringere Körpergrösse und den kleineren Kopfumfang traten bei ihnen seltener Komplikationen während der Geburt auf. In den letzten Jahrzehnten - also etwa seit 1970 - verbesserte sich jedoch die perinatale Versorgung und auch die Rate der Kaiserschnitte erheblich, so dass sich dieser "Vorteil" der Mädchen langsam wieder ausgleicht.
Aber: Immer noch haben Jungen ein um 60 Prozent höheres Risiko, als Frühgeburt auf die Welt zu kommen. Dadurch seien sie wegen des schwächeren Immunsystems vermehrt Infektionskrankheiten ausgesetzt. Sie leiden auch häufiger unter den damit verbundenen Beeinträchtigungen wie dem Atemnotsyndrom, und es treten bei ihnen häufiger Verletzungen während der Entbindung auf.
„Während der historischen Fortschritte bei der Säuglingssterblichkeit legt der wachsende Nachteil der Jungen ein unerwartetes Mass an männlicher Verwundbarkeit bloss", heisst es etwas kompliziert in der Studie. Die Geschlechterlücke sei deshalb gewachsen, weil sich Kindstod bei dem sehr niedrigen Stand der Säuglingssterblichkeit „zunehmend auf jene konzentriert, die mit gewissen Schwächen geboren werden“.
Was uns wiederum die einfache Frage stellen lässt: Wer ist hier das schwache Geschlecht?
Aus der Forschung: G.L. Drevenstedt et al.: PNAS 2008;online 24.3.2008