Fingerfood statt Babybrei: Worauf achten bei der breifreien Ernährung?
Beim Baby Led Weaning bestimmt Ihr Kind selber, in welchem Tempo es die Milchmahlzeiten mit Beikost ersetzt.
Ein gedämpftes Broccoli-Röschen zum Beikost-Start? Falafel mit Dip anstelle von Kichererbsenbrei mit Gemüse? Was für die einen Eltern befremdlich klingt, sehen die anderen als ersten wichtigen Schritt zum selbständigen Essen am Familientisch.
- 1. Was versteht man unter Baby Led Weaning?
- 2. Ab wann können Babys mit Fingerfood umgehen?
- 3. Welche Lebensmittel eignen sich für den Start?
- 4. Wie gross sollen die Stücke sein?
- 5. Wie lange dauert es, bis das Baby Milchmahlzeiten durch Fingerfood ersetzt?
- 6. Worauf achten bei der Rezeptsuche?
- 7. Was müssen wir zur Sicherheit unseres Babys beachten?
- 8. Welche Lebensmittel eignen sich nicht für Fingerfood?
- 9. Wie sieht es mit Allergien aus?
- 10. Schliessen sich Brei und Fingerfood gegenseitig aus?
1. Was versteht man unter Baby Led Weaning?
Baby Led Weaning bedeutet auf Deutsch "babygeführte Entwöhnung". Oft wird dafür die Abkürzung "BLW" verwendet. Im deutschen Sprachraum ist zudem die Bezeichnung "breifreie Beikost" geläufig.
Bei dieser Ernährungsform werden Milchmahlzeiten nicht nach und nach durch Breimahlzeiten ersetzt. Stattdessen werden dem Baby verschiedene Lebensmittel in Stücken angeboten. Diese sind so geschnitten, dass es sie gut greifen und mit Händen und Mund erforschen kann. Nachdem es sich erst einmal mit all den interessanten Dingen vertraut gemacht hat, lernt es, damit auch seinen Hunger zu stillen.
2. Ab wann können Babys mit Fingerfood umgehen?
Der BLW-Start erfolgt etwa im Alter von 6 Monaten. Da sich Kinder jedoch in unterschiedlichem Tempo entwickeln, entscheidet nicht alleine das Alter darüber, ob Sie Ihrem Baby feste Nahrung anbieten können. Wichtig ist, dass es alle sechs der sogenannten "Beikostreife-Zeichen" erfüllt:
Das Baby kann seinen Kopf stabil halten.
Es kann aufrecht sitzen, zuerst auf dem Schoss und dann auch im Hochstuhl. Kippt Ihr Baby im Sitzen zur Seite, ist es noch nicht bereit, selbständig zu sitzen.
Der Zungenstossreflex ist weitgehend verschwunden. Solange dieser Reflex noch vorhanden ist, wird alles mit der Zunge automatisch wieder aus dem Mund geschoben.
Die Hand-Mund-Koordination ist so weit ausgereift, dass Ihr Baby selbständig nach einem Lebensmittel greifen und dieses zum Mund führen kann.
Das Baby macht Kaubewegungen. Dazu muss es noch nicht unbedingt Zähnchen haben, denn auch mit den Kauleisten kann es schon ziemlich kräftig "zubeissen". Die Zunge hilft ebenfalls beim Zerkleinern der Nahrung.
Ihr Kind interessiert sich für das Geschehen am Esstisch, es greift nach Lebensmitteln, wenn Sie etwas zum Mund führen und zeigt insgesamt Interesse am Essen.
3. Welche Lebensmittel eignen sich für den Start?
Zu Beginn sollten die Lebensmittel einerseits fest genug sein, damit Ihr Baby sie gut halten kann, andererseits aber auch weich genug, damit es darauf "herumkauen" kann. Geeignet sind z. B. nicht zu weich gedämpfte oder im Ofen gebackene Gemüsesticks (Karotten, Kohlrabi, Süsskartoffeln, Kürbis etc.), gebackene Kartoffelschnitze, gedämpfte Broccoliröschen, Gurkensticks, Bananen, Melonenstücke, weiches, reifes Obst (zähe Schale entfernen), Brot oder in Streifen geschnittenes gedämpftes Fleisch.
Mit zunehmender Reife kann Ihr Baby dann auch speziell zubereitete Fingerfood-Speisen wie z. B. kleine Gemüsewaffeln, Fleischbällchen, Falafel, Pancakes oder Fladenbrot mit Dips essen. Sie können auch ungesalzene und nicht zu stark gewürzte Speisen vom Familientisch anbieten, z. B. Pasta oder Reis.
4. Wie gross sollen die Stücke sein?
Je kleiner Ihr Baby ist, desto grösser müssen die Stücke sein. Zu Beginn hält es die Lebensmittel noch in der geschlossenen Faust (Palmargriff) und kann nur das in den Mund stecken, was über die Faust hinausragt. Im Alter von 6 bis 8 Monaten sollten Sie deshalb Stücke anbieten, die ca. 2 cm breit und ca. 7 cm lang sind. BLW-Ratgeber empfehlen, Gemüse- und Obststücke mit einem Wellenmesser zu schneiden, damit sie nicht so leicht aus der Hand rutschen.
Zwischen dem 9. und 11. Monat lernen die meisten Babys, den Pinzettengriff anzuwenden. Es gelingt ihnen dann, Lebensmittel mithilfe von Daumen und Zeigefinger zu greifen. Nun können Sie Ihrem Baby auch kleinere Stücke anbieten. Allerdings sollten diese immer noch gross genug sein, damit es darauf herumkauen kann, ohne sich in die Finger zu beissen. Irgendwann beherrscht Ihr Baby den Pinzettengriff so gut, dass es problemlos Erbsen und Reiskörner vom Tisch klauben kann.
5. Wie lange dauert es, bis das Baby Milchmahlzeiten durch Fingerfood ersetzt?
Wie schnell ein Baby vom Erforschen der Lebensmittel zum "richtigen" Essen übergeht, ist individuell. In der ersten Zeit wird Ihr Kind weiterhin hauptsächlich von den Brust- oder Flaschenmahlzeiten satt. Es kann mehrere Monate dauern, bis sich die Milchmenge, die es zu sich nimmt, merklich reduziert. Möglicherweise verspeist es aber auch schon relativ bald mit Begeisterung grössere Mengen an fester Nahrung.
Solange Ihr Kind das Essen vorwiegend erforscht, sollten Sie ihm dieses nicht anbieten, wenn es so richtig hungrig ist. Am besten geben Sie ihm eine kleine Milchmahlzeit, bevor Sie ihm am Familientisch eine Auswahl von drei bis vier interessanten Lebensmitteln präsentieren.
Bitte beachten Sie, dass die Meinungen auseinandergehen, ab wann ein Baby regelmässig feste Nahrung braucht. Während in BLW-Ratgebern betont wird, das Baby werde dank der Milchmahlzeiten ausreichend mit Nährstoffen versorgt, vertreten andere Fachleute die Ansicht, ab dem Alter von sechs Monaten könne der Energie- und Nährstoffbedarf auf diese Weise nicht mehr gedeckt werden.
6. Worauf achten bei der Rezeptsuche?
Im Internet und in Kochbüchern finden Sie unzählige BLW-Rezepte. Viele dieser Gerichte enthalten Eier, Kuhmilch, Fleisch, Hülsenfrüchte und Käse - also eine Menge Proteine. Während diese für das gesunde Wachstum Ihres Kindes natürlich wichtig sind, sollten die Mahlzeiten dennoch nicht allzu proteinreich ausfallen.
Gemäss den aktuell geltenden Empfehlungen sollten Babys im ersten Lebensjahr noch keine eiweissreichen Milchprodukte wie Käse und Quark essen. Dies, weil überschüssiges Eiweiss im Körper in Harnstoff umgewandelt wird. Die Nieren eines Babys sind noch nicht in der Lage, grosse Mengen an Harnstoff aus dem Blut zu filtern und auszuscheiden. Bei der Einführung von eiweissreichen Lebensmitteln empfiehlt die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung:
Ab dem 7. Monat
1 x täglich 10 g Fleisch oder Fisch (entspricht 2 TL) oder 1/4 Ei.
Maximal 1 x täglich 50 bis 100 g Milch oder Joghurt nature
Ab dem 9. bis 10. Monat
1 x täglich 20 g Fleisch oder Fisch oder 1/2 Ei
Maximal 1 x täglich 100 g Milch oder Joghurt nature
Ab dem 13. Monat
1 x täglich 40 g Fleisch oder Fisch oder 1 Ei
3 bis 4 Portionen Milchprodukte am Tag. Eine Portion entspricht z. B. 100 g Milch oder Joghurt, 15 g Hartkäse oder 30 g Weichkäse. Eine Still- oder Flaschenmahlzeit zählt als eine Portion.
Sie brauchen nicht stur darauf zu achten, Ihrem siebenmonatigen Baby jeden Tag exakt 10 g Fleisch oder 1/4 Ei anzubieten. Wählen Sie jedoch die Lebensmittel so aus, dass Ihr Kind über mehrere Tage verteilt weder zu viel noch zu wenig proteinreiche Nahrung bekommt.
7. Was müssen wir zur Sicherheit unseres Babys beachten?
Um das Risiko möglichst gering zu halten, dass dem Baby beim Erforschen der Lebensmittel etwas in den falschen Hals gerät, sind die folgenden Grundregeln zentral:
Ihr Baby muss bei den Mahlzeiten aufrecht sitzen. In einer Babywippe, im Buggy oder in der Babyschale im Auto liegt es nach hinten geneigt, sodass die Gefahr des Verschluckens viel grösser ist.
Lassen Sie Ihr Baby beim Essen nie alleine.
Verhindern Sie Ablenkungen, damit sich Ihr Baby ganz auf das Erforschen der Lebensmittel und das Essen konzentrieren kann.
Geben Sie Ihrem Baby keine Lebensmittel direkt in den Mund und weisen Sie auch grössere Geschwister an, dies nicht zu tun. Wenn Ihr Kind sich das Essen selber in den Mund führt, kann es viel besser kontrollieren, wie es damit umgehen muss, damit es sich nicht verschluckt.
Nach der Mahlzeit dürfen keine Essensstücke im Mund verbleiben, die im Schlaf oder beim Spielen verschluckt werden könnten.
8. Welche Lebensmittel eignen sich nicht für Fingerfood?
Die Lebensmittel, die für das erste Lebensjahr ungeeignet sind, sollten Sie Ihrem Baby natürlich auch nicht anbieten, wenn Sie feste Nahrung nach der BLW-Methode einführen. Fingerfood darf ausserdem keine harten Stückchen enthalten, also z. B. keine Obstkerne, Fischgräten, Knorpel, ganze Nüsse oder Nusssplitter.
Bieten Sie kleine runde Lebensmittel (Mirabellen, Cherrytomaten etc.) nicht ganz an, sondern schneiden Sie diese in Viertel. Solange Ihr Kind den Pinzettengriff noch nicht beherrscht, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass es Blaubeeren, Erbsen, Erdnüsse etc. zu fassen kriegt und in den Mund steckt. Trotzdem ist stets Ihre Wachsamkeit gefragt, denn kleine Kinder sind ihren Eltern oft eine Nasenlänge voraus. Dämpfen Sie hartes Obst und Gemüse (Äpfel, Nektarinen, Kohlrabi, Karotten etc.) einige Minuten lang, bevor Sie diese Ihrem Baby anbieten.
9. Wie sieht es mit Allergien aus?
Heute wird nicht mehr dazu geraten, mögliche allergieauslösende Lebensmittel im ersten Lebensjahr zu meiden. Achten Sie jedoch darauf, ob bei Ihrem Kind nach dem Essen Reaktionen auftreten, insbesondere, wenn in Ihrer Familie Allergien bekannt sind. Da Sie die Lebensmittel einzeln und nicht als Brei anbieten, ist es relativ einfach, herauszufinden, welches Nahrungsmittel die Reaktion ausgelöst haben könnte.
10. Schliessen sich Brei und Fingerfood gegenseitig aus?
Wenn Ihr Baby Brei bekommt, kombinieren Sie die beiden Ernährungsformen früher oder später ganz automatisch. Denn neben den Breimahlzeiten bieten Sie Ihrem Kind zwischendurch immer mal wieder Fingerfood an: ein Stück Banane zum Zvieri, eine Brotrinde, auf der es herumkauen kann, ein Schnitz Wassermelone an einem heissen Sommertag. Und je grösser es wird, umso öfter wird es am Familientisch mitessen.
Eltern, die sich für breifreie Ernährung entscheiden, verzichten jedoch in der Regel ganz auf Breimahlzeiten. Bei dieser Ernährungsform gibt das Baby den Takt vor, nicht die Erwachsenen, die bestimmen, dass es am Mittag einen Kohlrabi-Poulet-Brei bekommt und am Abend einen Griessbrei mit Zwetschgen. Bei der einen Mahlzeit Fingerfood anzubieten und bei der anderen einen Brei zu füttern, würde den BLW-Grundsätzen zuwider laufen.
Vergessen Sie jedoch bei all diesen Überlegungen nicht: Freude am gesunden Essen und genussvolle Familienmahlzeiten sind das Ziel. Ob Sie dieses Ziel mit Babybrei, mit Fingerfood oder mit einer Kombination von beidem erreichen wollen, ist Ihre persönliche Entscheidung. Druck ist bei diesem Thema fehl am Platz - ob er nun durch einen starren Beikostplan erzeugt wird oder durch einen BLW-Ratgeber, der diese Ernährungsform als die einzig richtige anpreist.