Vorsorgeuntersuchungen in den ersten zwei Lebensjahren
Interview mit Dr. med. Markus Bücker
swissmom: Welche Vorsorgeuntersuchungen empfehlen Sie in den ersten zwei Lebensjahren?
Dr. med. M. Bücker: Bereits als Neugeborenes wird das Baby zunächst von der Hebamme oder dem Frauenarzt untersucht, um die lebenswichtigen Funktionen zu kontrollieren. In der Regel erfolgt der erste Besuch beim Kinderarzt mit einem Monat zur Kontrolle des körperlichen Gedeihens und der regelgerechten Entwicklung. Dann werden Vorsorgeuntersuchungen im Alter von 2, 4 und 6 Monaten empfohlen, bei denen auch die prophylaktischen Massnahmen wie Vitamin-D-Gabe oder Impfungen besprochen und mit dem Einverständnis der Eltern durchgeführt werden. Im Kleinkindesalter werden die Abstände der Kontrollen etwas weitmaschiger: nach dem ersten Geburtstag, mit 15-18 Monaten und nach dem zweiten Geburtstag.
Dr. med. Markus Bücker ist Facharzt (D und US) für Kinder- und Jugendmedizin in Allschwil (BL). Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
swissmom: Sind diese Untersuchungen auch wichtig, wenn das Kind den Anschein macht, völlig gesund zu sein?
Dr. med. M. Bücker: Ja, denn es gibt Abweichungen des Gedeihens und der Entwicklung, die möglicherweise den Eltern nicht auffallen, weil sie nicht immer den Vergleich mit gleichaltrigen Kindern haben. Je früher man ein mögliches Problem erkennt, desto früher kann man auch die entsprechenden Massnahmen einleiten.
swissmom: Auf was achtet die Kinderärztin/der Kinderarzt bei den Untersuchungen?
Dr. med. M. Bücker: Der Kinderarzt untersucht das Kind von Kopf bis Fuss auf äusserliche Auffälligkeiten, kontrolliert die inneren Organe durch Abhorchen und Abtasten. Er misst die Grösse, das Gewicht und den Kopfumfang des Kindes. Weiterhin schaut er sich das Verhalten, die Bewegungen und das Erreichen der sogenannten „Meilensteine der Entwicklung“ wie Sitzen oder Krabbeln an.
swissmom: Besprechen Sie auch den Impfplan mit den Eltern?
Dr. med. M. Bücker: Die von der Eidgenössischen Impfkommission empfohlenen Impfungen werden mit den Eltern ausführlich bei den Vorsorgeuntersuchungen besprochen, es werden Vor- und Nachteile abgewogen und dann die Entscheidungen für oder gegen die entsprechenden Impfungen mit den Eltern getroffen. Die gute und vorurteilsfrei Information und Beratung der Eltern in Impffragen für ihre Kinder ist wichtigste Voraussetzung für diese Entscheidung.
swissmom: Sind auch Beobachtungen der Eltern wichtig für den Arzt/die Ärztin?
Dr. med. M. Bücker: Sehr wichtig, da der Kinderarzt das Kind nur für eine kurze Zeitspanne in der Praxis sieht, die Eltern das Kind aber rund um die Uhr betreuen und in verschiedenen Situationen beobachten. Deshalb ist der Arzt sehr auf die Beobachtungen der Eltern zum Finden der richtigen Diagnose angewiesen.
swissmom: Kinder entwickeln sich ganz unterschiedlich, vieles ist aber durchaus im Normbereich. Wie können Sie Eltern beruhigen, die sich Sorgen machen, wenn Gleichaltrige sich anders verhalten als ihr eigenes Kind?
Dr. med. M. Bücker: Das körperliche Gedeihen und die psycho-motorischen Entwicklung von Kindern unterliegen in der Tat grossen Schwankungen. Häufig verläuft das Wachstum und die Entwicklung in Schüben, positiv oder negativ beeinflusst auch von äusseren Faktoren. Deshalb kann eine Abweichung von der „Norm“ auch nur eine Phase sein, die sich dann im weiteren Verlauf korrigiert.
swissmom: Wann sollen Eltern zusätzlich Ihre Kinderärztin/ihren Kinderarzt aufsuchen?
Dr. med. M. Bücker: Bei Auffälligkeiten oder Beschwerden sollten die Eltern ihren Kinderarzt konsultieren, der ihnen mit Rat und Tat bei hoffentlich nur harmlosen Problemen, aber auch in schwierigen Situationen zur Seite steht.