Chiropraktik
Auf welchen Grundgedanken die alternative Therapieform basiert und wie sie heute vorwiegend eingesetzt wird.
Chiropraktoren werden oft wegen Rücken- und Nackenschmerzen aufgesucht. Mit speziellen Handgriffen sollen Störungen des Bewegungsapparats und ihre Folgen für das Nervensystem behoben werden.
Was ist Chiropraktik?
Der Begriff "Chiropraktik" leitet sich aus dem Altgriechischen ab und bedeutet so viel wie "mit den Händen tätig sein". Manuelle Behandlungsmethoden haben eine lange Tradition und wurden bereits in der Antike praktiziert. Die Chiropraktik wurde durch Daniel David Palmer (1845 bis 1913) begründet. Von ihm wurde auch der Name für die Behandlungsform geprägt.
Palmer vertrat die Überzeugung, dass Verschiebungen der Wirbel entlang der Wirbelsäule Druck auf die Nerven ausüben. Dadurch würde die Kommunikation im Nervensystem beeinträchtigt, was sich negativ auf einzelne Organe, die Körperfunktionen oder den allgemeinen Gesundheitszustand auswirke. Er sah seine Aufgabe darin, diese sogenannten Subluxationen zu lokalisieren und durch chiropraktische Justierungen zu korrigieren. Palmer verwendete den Begriff "Subluxation" nicht als Bezeichnung für ein unvollständig ausgerenktes Gelenk, wie dies üblicherweise der Fall ist. Bei ihm bezieht sich das Wort ausschliesslich auf die von ihm beschriebenen Nervenblockaden.
Die moderne Chiropraktik hat zum Ziel, mithilfe von gezielten Manipulationen der Gelenke Störungen zu beheben und damit die uneingeschränkte Kommunikation des Nervensystems zu bewirken. Diese können manuell oder mithilfe von chiropraktischen Instrumenten durchgeführt werden. Bei den Manipulationen ist oft ein deutliches Knacken zu hören. Dieses ist vergleichbar mit dem Knacken der Fingergelenke, wenn man an den Fingern zieht: Das Geräusch entsteht, weil es zu einem Unterdruck im Gelenk kommt, wenn die Gelenkflächen auseinandergezogen werden.
Für die Diagnosestellung werden die Patienten eingehend befragt und mit den Händen untersucht; es werden aber auch Röntgenaufnahmen und MRI-Befunde hinzugezogen.
Die Existenz von Subluxationen, wie Palmer sie definierte, ist wissenschaftlich nicht erwiesen. Auch seine Überzeugung, dass verschiedenste körperliche Beschwerden auf Verschiebungen von Wirbeln zurückzuführen sind, ist nicht belegt. Studien deuten darauf hin, dass die Chiropraktik bei Kreuz-. Rücken- und Nackenschmerzen Linderung verschaffen kann. Da bei der Therapieform die Durchführung von Doppelblindstudien kaum möglich ist, ist es jedoch schwierig, die Wirksamkeit wissenschaftlich einwandfrei nachzuweisen. Bei einer Doppelblindstudie wissen weder die Probanden noch das Forschungsteam, wer ein Placebo erhalten hat und wer eine wirksame Therapie. Dies garantiert eine möglichst objektive Auswertung der Studienergebnisse.
Chiropraktor oder Chiropraktiker?
In der Schweiz tätige Chiropraktoren haben ein universitäres Studium in Chiropraktischer Medizin absolviert. In anderen Ländern ist der Ausbildungsweg weniger klar reguliert, sodass auch Heilpraktikerinnen oder Gesundheitsfachpersonen mit Zusatzausbildung chiropraktische Techniken anwenden. Die Berufsbezeichnung lautet dann "Chiropraktiker".
Wozu wird Chiropraktik eingesetzt?
Therapeuten, die in der Tradition Palmers arbeiten, sehen die Chiropraktik als Behandlungsform für eine grosse Bandbreite an körperlichen Beschwerden. Heute behandeln jedoch die meisten Chiropraktorinnen ausschliesslich mechanische Störungen des Bewegungsapparats. Sie werden von Patienten wegen Rücken- und Nackenschmerzen, Diskushernien, Ischiasbeschwerden, Kopfschmerzen und Migräne etc. aufgesucht. Oft wird dazu geraten, nicht erst dann eine Therapie zu beginnen, wenn sich Schmerzen bemerkbar machen, sondern die Chiropraktik auch zur Prävention einzusetzen.
Bei Babys wird die Behandlung zur Linderung von Koliken und Bauchschmerzen eingesetzt, bei Kindern stehen meist Haltungsschäden, Fehlhaltungen und Rückenschmerzen im Zentrum. In der Schwangerschaft kommt Chiropraktik bei Ischiasbeschwerden, Rückenschmerzen und Blockaden des Iliosakralgelenks zum Einsatz.
Gibt es Risiken?
Eine chiropraktische Behandlung gilt als risikoarm und nebenwirkungsfrei. Schlimmstenfalls machen sich danach Muskelkater oder leichte Schmerzen bemerkbar. Selten kann es zu Gefühlsstörungen kommen.
Kritiker weisen darauf hin, dass insbesondere Manipulationen an der Halswirbelsäule gefährlich seien, weil sie zu Gefässschäden führen könnten. Dadurch könnten sich Blutgerinnsel bilden, die einen Schlaganfall auslösen. Da Nebenwirkungen in Studien kaum erfasst werden, ist dieser Zusammenhang umstritten. Mit Sicherheit jedoch lässt sich sagen, dass eine chiropraktische Behandlung stets von einer fundiert ausgebildeten Chiropraktorin durchgeführt werden sollte, um das Risiko von unsachgemässen Manipulationen an der Wirbelsäule zu verringern.
Was ist Alternativmedizin?
Als Alternativmedizin bezeichnet man Diagnose- und Behandlungsmethoden, die anstelle von naturwissenschaftlich begründeten Therapieformen zum Einsatz kommen. Werden sie ergänzend zu "schulmedizinischen" Behandlungen eingesetzt, spricht man von "Komplementärmedizin". Obschon sich die einzelnen Methoden stark unterscheiden, gibt es einige Gemeinsamkeiten:
- Sie basieren auf Grundprinzipien, die sich nicht mit dem aktuellen Wissensstand der Forschung decken. Oft sind sie auch durch weltanschauliche Überzeugungen geprägt.
- Ihre Wirkungsweise kann nicht mithilfe der Naturwissenschaft erklärt werden.
- Ihre Wirksamkeit ist nicht zweifelsfrei durch wissenschaftliche Studien, deren Ergebnisse reproduziert werden konnten, belegt. Aus naturwissenschaftlicher Sicht wirken die Therapien nicht über den Placeboeffekt hinaus.
- Werden die Diagnose- und Therapiemethoden als Ersatz für nachweislich wirksame Behandlungen eingesetzt, besteht das Risiko, dass schwere Krankheiten unerkannt bleiben und zu spät behandelt werden.