Vatergefühle: In die Vaterrolle hineinwachsen
Freude, überwältigende Liebe, Unsicherheit und vielleicht ein Hauch von Eifersucht: Auch für Väter ist das Wochenbett eine Zeit voller Emotionen.
Während der Schwangerschaft konnten Sie die Tritte Ihres Babys durch die Bauchdecke fühlen und bei den Ultraschalluntersuchungen sind ihm zum ersten Mal begegnet. Jetzt aber, wo Sie Ihr Neugeborenes im Arm halten, wird Ihnen wohl so richtig bewusst, wie stark dieses kleine Menschlein Ihr Leben verändert. Dies kann eine Fülle von unterschiedlichen Gefühlen auslösen.
Was Vaterliebe so mit sich bringt
Vor der Geburt hätten Sie sich wohl kaum vorstellen können, dass Sie sich Hals über Kopf in ein kleines, schrumpeliges Menschlein mit zugekniffenen Augen verlieben könnten. Doch weil dieses kleine, schrumpelige Menschlein Ihr Kind ist, können Sie sich gar nicht an ihm sattsehen. Und Sie wollen alles in Ihrer Macht Stehende tun, um es zu beschützen und ihm ein gesundes und glückliches Aufwachsen zu ermöglichen.
Diese tief empfundene Liebe bringt meistens noch weitere Gefühle mit sich: Die Sorge, ob Sie Ihrer grossen Aufgabe auch wirklich gewachsen sind. Die Angst, dem Baby könnte etwas zustossen oder es könnte ihm etwas schaden. Und vielleicht auch die etwas furchterregende Erkenntnis, dass Sie als Eltern für das Wohlergehen dieses Kindes ein Leben lang verantwortlich sind.
Für Ihre Partnerin sind diese Gedanken und Gefühle vielleicht nicht ganz so neu wie für Sie. Denn sie musste sich bereits in der Schwangerschaft bei unendlich vielen kleineren und grösseren Handlungen überlegen, wie sich diese auf das Baby auswirken. Sie hatte also schon etwas mehr Zeit, in die Mutterrolle hineinzuwachsen. Im Gespräch mit anderen Vätern werden Sie jedoch feststellen, dass Sie bei Weitem nicht der einzige sind, der sich kurz nach der Geburt viele Gedanken darüber macht, wie es ihm gelingt, seiner Vaterrolle gerecht zu werden.
Unsicherheit im Umgang mit dem Baby
Insbesondere, wenn Sie bislang wenig mit Babys und Kleinkindern zu tun hatten, empfinden Sie möglicherweise eine gewisse Unsicherheit um Umgang mit Ihrem Neugeborenen. Die Sorge, Sie könnten etwas falsch machen, hält Sie vielleicht sogar davon ab, das Wickeln, Baden und Anziehen zu übernehmen.
Lassen Sie sich vom Pflegepersonal im Spital, von der Hebamme oder Ihrer Partnerin zeigen, worauf Sie beim Halten, Tragen und in der Babypflege besonders achten müssen. Dies nimmt Ihnen die erste Unsicherheit. Und wenn Sie Ihr Kind dann einige Male gewickelt oder angezogen haben, werden Sie bald einmal feststellen, wie wenig Sie falsch machen können, solange Sie sanft und liebevoll mit ihm umgehen und es niemals alleine auf dem Wickeltisch lassen.
Das Gefühl, nicht mehr dazuzugehören
In den ersten Wochen fühlen Sie sich als Vater vielleicht zuweilen wie das fünfte Rad am Wagen. Insbesondere beim Stillen ist das Baby ganz auf Ihre Partnerin angewiesen und es kommt Ihnen so vor, als hätte es in der innigen Zweisamkeit der beiden keinen Platz mehr für Sie. Wenn dann das Baby ausnahmsweise mal nicht in Mamas Arm liegt und Sie auch Lust auf etwas Nähe hätten, zieht sich Ihre Partnerin zurück. Denn ihr Bedürfnis nach Körperkontakt ist gerade mehr als gestillt. Sie fühlen sich zurückgewiesen und empfinden eventuell sogar Eifersucht auf Ihr Kind.
Dies anzusprechen ist nicht einfach, denn Sie möchten in dieser ohnehin schon herausfordernden Phase keinen zusätzlichen Druck machen. Dennoch sind auch Ihre Gefühle es wert, gehört und ernst genommen zu werden. Warten Sie deshalb nicht, bis sich bei Ihnen ein grosser Frust angestaut hat. Nutzen Sie stattdessen kleine Gelegenheiten im Alltag, um einander ganz ohne Vorwürfe zu erzählen, wie es Ihnen als frischgebackene Eltern geht - beim Spazieren, wenn das Baby im Tragetuch schläft oder wenn Ihre Partnerin am Stillen ist und Sie Ihr eine Tasse Tee und einen Snack hinstellen.
Nicht immer ist Ihre Partnerin die erste Adressatin für Ihre Gefühle. Falls die Lage ohnehin schon angespannt ist, kann es hilfreich sein, sich erst einmal mit einem guten Freund, den (Schwieger-)eltern oder einem Arbeitskollegen, der gerade Vater geworden ist, auszutauschen. Nachdem Sie auf diese Weise Ihre Empfindungen ein wenig sortiert haben, können Sie mit Ihrer Partnerin in Ruhe darüber reden, was Ihnen Mühe macht und wie Sie die Sache gemeinsam lösen können.
Bleibt das jetzt immer so?
In den ersten Wochen und Monaten mit dem Baby bleibt wenig Zeit für Hobbys, Freundschaften und die Paarbeziehung. Insbesondere beim ersten Kind kann es sich anfühlen, als bliebe dies nun für immer so. Das Gefühl, alles zu verpassen und nie mehr unbeschwert in den Tag hinein zu leben, kann ziemlich frustrierend sein.
Bis zu einem gewissen Grad stimmt es natürlich schon: Wer Kinder hat, ist wohl nie mehr ganz so unbesorgt wie vor der Familiengründung. Immerhin ist da jetzt ein kleiner, kostbarer Mensch, für den man alles tun würde. Aber auch mit Kindern kommen wieder Zeiten, in denen Sie länger schlafen dürfen, am Feierabend Zeit für Freunde haben oder gelegentlich zu zweit für ein romantisches Wochenende dem Alltag entfliehen können. Und schliesslich wird Ihr Kind auf vielfältige Weise dafür sorgen, dass das Leben nie langweilig wird.
Können auch Väter an einer postpartalen Depression erkranken?
Leider ist das Wissen über postpartale Depressionen von Vätern noch sehr wenig verbreitet. Dabei kommt dies gar nicht so selten vor. Schätzungsweise einer von zehn Vätern erkrankt daran. Oft macht sich die Erkrankung bei Männern erst drei bis sechs Monate nach der Geburt bemerkbar. Betroffen sind vielfach Partner von Frauen, die selber erkrankt waren. Anhaltende Spannungen in der Partnerschaft, mangelnde Unterstützung und Erholung, Stress bei der Arbeit und finanzielle Sorgen können ebenfalls zur Entwicklung einer Depression beitragen.
Bei Männern äussert sich die postpartale Depression meist etwas anders als bei Frauen. Häufige Reizbarkeit und Wut können ebenso Anzeichen sein wie der vermehrte Rückzug aus dem Familienleben. Die Arbeit, die Hobbys oder ein gesteigertes Konsumverhalten (Alkohol, Computergames etc.) nehmen immer mehr Raum ein, während das Interesse an der Familie abnimmt.
Wenn Sie befürchten, an einer Depression erkrankt zu sein, sind fachliche Hilfe und praktische Unterstützung sehr wichtig. Auch wenn es Ihnen schwerfällt, über Ihre Gefühle zu reden, zögern Sie bitte nicht, sich an eine Fachperson zu wenden. Adressen finden Sie beim Verein Postpartale Depression Schweiz.