Bettnässen - wenn Kinder nachts nicht trocken sind
Wenn Kinder nachts ins Bett machen, sind die meisten Eltern beunruhigt. Dabei ist Entwarnung angesagt, denn Bettnässen ist eine der häufigsten "Störungen" im Kindesalter: Fast 10 Prozent der Kinder im Alter von 4 bis 15 Jahren in Westeuropa sind nachts nicht zuverlässig trocken. Demnach wären ca. 90'000 Kinder in der Schweiz davon betroffen.
Warum ist unser Kind nachts noch nicht trocken?
Unter Bettnässen bzw. Enuresis nocturna, wie der medizinische Fachausdruck dafür ist, versteht man das regelmässige, unwillkürliche Einnässen des Kindes im Schlaf nach Vollendung des fünften Lebensjahres. Man unterscheidet eine primäre und eine sekundäre Enuresis:
Primäre Enuresis: Primäre Enuresis hat häufig mit einer verzögerten körperlichen Reifung zu tun, denn Kinder haben oft noch nicht gelernt, die volle Blase im Schlaf als solche wahrzunehmen. Diese Form des Bettnässens kann auch familiär gehäuft auftreten und hat vermutlich genetische Ursachen. Ein häufiger Grund für Bettnässen ist ein Defizit des antidiuretischen Hormons (ADH), das für Drosselung der Harnproduktion während der Nachtstunden verantwortlich ist. Ein Mangel dieses Botenstoffes führt dazu, dass in der Nacht zuviel Harn produziert wird. Tagsüber ist das Kind normalerweise trocken.
Sekundäre Enuresis: Bei der sekundären Enuresis spielen psychische Ursachen eine grosse Rolle. Nässt ein Kind wieder ein, nachdem es lange trocken war, sind oft unerwartete Veränderungen im Leben des Kindes die Ursache. Dies kann die Geburt eines Geschwisterkindes, der Verlust eines Familienmitgliedes, ein Trennungserlebnis oder ein Umzug sein. Andererseits kann eine Schamlippenverklebung bei einem kleinen Mädchen den Eindruck erwecken, das Kind sei nicht mehr trocken.
Trinkverhalten und Toilettentraining
Nicht selten liegt das Bettnässen an einem falschen Trink- oder Urinierverhalten. Wenn das Kind vor allem nachmittags und abends viel trinkt, ist die Blase überfordert in der Nacht. Und wenn das Kind sehr häufig die Blasenentleerung hinauszögert, weil es lieber weiter spielen will oder Probleme mit dem WC in der Schule hat, kommt es zu einer sog. Blasendysfunktion: Der Beckenboden und der Blasenschliessmuskel sind tagsüber extrem verspannt und bei der Entspannung im Schlaf wird dann unwillkürlich eingenässt.
Eine Studie konnte kürzlich zeigen, dass auch Verstopfung eine Ursache für nächtliches Einnässen bei Kindern sein kann. Zu viel Stuhl im Enddarm kann die Aufnahmekapazität der Harnblase beeinträchtigen. Abführmassnahmen können das Problem leicht beseitigen.
Tipps für das Umgehen mit Bettnässen:
Sprechen Sie zunächst ganz offen mit Ihrem Kind über das Bettnässen. Machen Sie ihm klar, dass viele Kinder darunter leiden und es mit diesem Problem nicht alleine ist.
Zudem können Sie mit ihrem Kind zum Kinderarzt gehen, um einen Mangel des antidiuretischen Hormons (ADH) oder andere organische Ursachen auszuschliessen.
Geben Sie Ihrem Kind mit säugfähiger Unterwäsche ein Gefühl von Sicherheit, stärken Sie damit sein Selbstbewusstsein und entschärfen Sie den Stressfaktor Bettnässen für die ganze Familie.
Loben Sie es, für eine trockene Nacht wie auch für andere Dinge, und geben Sie ihm Zuspruch bei erlittenen Rückschlägen.
Seien Sie geduldig mit Ihrem Kind, denn in den meisten Fällen geht Bettnässen in absehbarer Zeit von alleine wieder vorbei.
Hilfreich ist das Führen eines Kalenders, in dem die trockenen Nächte eingetragen werden, damit das Kind ein Bewusstsein für die Problematik entwickelt.
Ein bettnässendes Kind im Primarschulalter sollte immer vom Kinder- und Jugendarzt untersucht werden. Denn selten (bei einem von 20 Bettnässern) können auch organische Leiden zu Fehlfunktionen der Blase führen: angeborener, sogenannter embryonaler Blasen- und Prostatakrebs, Fehlbildungen der Harnwege von Harnröhre, Blase und Enddarm, Verletzungen sowie der „offene Rücken“ haben häufig Inkontinenz und andere Entleerungsstörungen zur Folge. Mitunter bleibt auch Restharn in der Blase und der Urin staut sich bis in die Niere. Die betroffenen Kinder nässen ein, haben häufig Blasenentzündungen und mitunter verlieren sogar die Nieren ihre lebenswichtige Funktion.
Schimpfen nützt gar nichts
Bettnässen ist leider immer noch ein Tabu-Thema in unserer Gesellschaft und in den meisten Familien wird nicht gross darüber gesprochen. Dies verstärkt den Druck und die Verunsicherung von Kindern und Eltern. Beruhigend für das betroffene Kind und die Familie: In absehbarer Zeit geht das Bettnässen bei vielen Kindern von alleine vorbei. In dieser schwierigen Zeit braucht das Kind viel Zuspruch und Unterstützung von der Familie, damit die Phase ohne Schuldgefühle und Angst gemeistert werden kann.